Frage an Hans-Peter Uhl von Erik S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Uhl,
zunächst möchte ich richtig stellen, daß ich nicht Ihnen unterstellt habe, "logischen Überlegungen nicht mehr zugänglich" zu sein, sondern dies ganz allgemein mein Eindruck im Zusammenhang mit Überwachungsmaßnahmen des Staates gegen seinen Souverän ist. Leider verstärken Sie durch Ihre Argumentation diesen Eindruck, weil Sie mit keinem Wort auf meine Frage eingegangen sind. Ich fragte Sie nach der Verhältnismäßigkeit der verdachtslosen Verbindungsdatenspeicherung von über 80Millionen Bundesbürgern. Anstatt diese Verhältnismäßigkeit argumentativ zu belegen, schwenken Sie auf den rechtlichen Unterschied zwischen strafrechtlichen Ermittlungsinstrumenten (rückwirkend) und polizeilichen Präventivbefugnissen. Dies ist jedoch unerheblich, da die Daten unabhängig davon gespeichert werden (sollen).
Einzig Ihre Argumentation, daß diese Daten bereits in der Vergangenheit gespeichert würden, geht am Rande auf meine Frage ein. Allerdings liegen Sie mit Ihrer Behauptung weit daneben, Weil die Verbindungsdaten von Internetkommunikationsdaten noch nie gespeichert wurden und wenn doch, dann gesetzeswidrig (vgl. BGH, Entscheidung vom 26. Oktober 2006 - III ZR 40/06). Zum anderen werden seit Anfang diesen Jahres neben den reinen Verbindungsdaten im Telefonsektor noch diverse weitere Daten (u.a. Standort, erfolglose Verbindungsversuche) gespeichert. Die Ausweitung der Datenspeicherung ist also immens und die Kosten vom überwachten Bürger zu tragen, welcher wie in meiner 1. Frage belegt, zu annähernd 100% von dieser Speicherung betroffen ist. Dies hatten Sie nicht bestritten. Warum sind Sie dann der Auffassung, dies sei Verhältnismässig?
Sehr geehrter Herr Schaber,
zum Thema Vorratsdatenspeicherung habe ich bereits ausführlich Stellung genommen, u.a. in meiner Antwort vom 22.9.2008:
http://abgeordnetenwatch.de/dr_hans_peter_uhl-650-5550--f138770.html#frage138770
Dass Sie Ihre Frage nach der Verhältnismäßigkeit als unbeantwortet empfinden, bedaure ich. In der Tat habe ich Ihre Frage exakt beantwortet, nämlich mit diesen Sätzen:
- "Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben."
- "Diese Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen."
Zur Ergänzung: Das BVerfG hat mit seinem Beschluss vom 11.3.2008 (einstweilige Verfügung) geurteilt, dass sowohl die Speicherung als auch die Abfrage von Verkehrsdaten zur Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung zulässig sind - unter der Bedingung, dass hinreichende Rechtsklarheit über das wann und wie der Datenspeicherung und definierte (hoch angesetzte) Hürden für die Datenabfrage geregelt sind. Hier die Fundstelle dazu:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg08-037.html
Meine Ausführungen zum Unterschied zwischen Polizeirecht und Strafprozessordnung waren im Übrigen sehr wohl erheblich und notwendig, weil Sie in Ihrer Frage (nach der Verhältnismäßigkeit) rechtsirrtümlich von einer falschen Voraussetzung ausgegangen sind: nämlich von einer ausschließlichen Zwecksetzung der Terrorismusbekämpfung.
Wenn Kommunikation über die Grenzen unterschiedlicher Perspektiven hinweg gelingen soll, sollten wir uns selbstkritisch an das Wort des englischen Mathematikers George Spencer Brown halten ("Draw a distinction"): Ohne die Kunst der Unterscheidung gibt es kein Erkennen und kein Verstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl