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Hans-Peter Uhl
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Frage von Thorsten S. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Thorsten S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

ein paar weitere Fragen zu den Sicherheitsgesetzen:

Laut Bundesnetzagentur gab es im Jahr 2006 insgesamt 40915 richterlich angeordnete Überwachungen von Telefonanschlüssen.
Der Richtervorbehalt scheint also kein großes Hinderniss zu sein um ein Eindringen in die Privatsphäre der Bürger zu verhindern.
Wieso sind sie dann der Meinung, die Online-Überwachung von PCs würden "nur in wenigen Fällen (womöglich weniger als ein Dutzend) im Jahr zum Einsatz kommen."?
Es wäre doch für die Ermittlungsbehörden nur allzu bequem, dieses Werkzeug für alle möglichen Ermittlungen herzunehmen. Bei der Kontenüberprüfung hat man ja am Anfang auch die Terrorismusbekämpfung herangezogen und nutzt sie jetzt
gegen jeden kleinen Steuer- und Sozialbetrüger.

Ähnlich bei der Vorratsdatenspeicherung: Wozu 6 Monate die Verbindungsdaten der im Internet aktiven Bundesbürger (37,51 Millionen im Jahr 2006 laut c´t) mitprotokollieren, wenn man doch nur ein paar Terroristen damit fangen will?
Ist es nicht naheliegend, dass dieser Datenfundus bald auch für andere Ermittlungen herangezogen wird? Z. B. um das illegale Herunterladen von Musik zu bekämpfen. Die Musikindustrie würde sich sicherlich sehr darüber freuen.

Was sollen die Maßnahmen überhaupt bringen? Jeder halbwegs IT-Begabte weiß z. B. dass er, um der Onlineüberwachung zu entgehen lediglich einen zweiten PC braucht, der nicht am Netz hängt. Auf diesem PC entschlüsselt er dann seine Emails, die er auf dem Internet-PC empfangen und mittels USB-Stick transferiert hat.
Ähnliches lässt sich mittels Anonymizer-Proxies, anonymen Internet-Cafés und Ähnlichem gegen die Vorratsdatenspeicherung unternehmen.
Die Maßnahmen werden also ohnehin nur den dummen Kleinkriminellen treffen.

Ist also nicht insgesamt nicht mehr als verständlich, dass sich in der Bevölkerung Argwohn gegen die Maßnahmen breit macht und man den scheibchenweisen Aufbau eines Überwachungsstaates nach russisch-chinesischem Vorbild befürchtet?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Stauber,

in der Tat haben wir in Deutschland jedes Jahr ca. 40.000 Telefonüberwachungsmaßnahmen (auf Bayern entfallen ca 10%). Hinter dieser hohen Zahl verbergen sich jedoch lediglich ca. 4500 bis 5000 Telefonüberwachungsverfahren im Jahr. Der Grund für die hohe Diskrepanz zwischen Verfahren und Maßnahmen (um ca. den Faktor 9) ist, dass beinahe alle Zielpersonen über eine Vielzahl von Telfonanschlüssen und insbesondere Mobilfunkkarten verfügen, für die jeweils ein eigener Beschluss herbeizuführen ist.

Doch auch die Zahl 5000 liegt weit über der Größenordnung, die (etwa von mir) in Bezug auf das Instrument der Online-Durchsuchung genannt wird.

Dazu bitte ich Sie eine wichtige Unterscheidung zu berücksichtigen, nämlich zwischen „repressiven“ (Ermittlungs-) Maßnahmen nach der StPO einerseits und zwischen Präventivbefugnissen (zur Gefahrenabwehr) andererseits.

Die jährlich ca. 5000 Verfahren zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) beziehen sich zum allergrößten Teil auf staatsanwaltliche Verfahren nach der StPO (§100a; wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand Täter oder Teilnehmer an bestimmten schweren Straftaten ist und wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre). Dies betrifft naturgemäß nicht willkürlich den „ahnungslosen Bürger“. Wenn man vergleicht, dass es jedes Jahr ca. 800.000 Verurteilungen wegen Straftaten gibt, nimmt sich die Zahl 5000 auch nicht unverhältnismäßig hoch aus.

Hingegen soll das BKA die Befugnis zur Online-Durchsuchung ja zu präventiven Zwecken (d.h. zur Abwehr terroristischer Gefahren) bekommen. Dies ist an die strenge Voraussetzung gebunden, dass bereits Tatsachen den Verdacht auf beabsichtigte (!) schwere Straftaten (wie die Beseitigung der Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation) rechtfertigen müssen. Dies ist von einem Richter zu bewerten – und naturgemäß nur in wenigen Fällen anzuordnen. Die Erfahrung in den Ländern mit präventiven TKÜ-Maßnahmen – sofern dort nach Landespolizeirecht möglich – zeigt, dass es diesbezüglich keine Flut richterlicher Erlaubnisse gibt: Z.B. in Bayern wurden (laut LKA) in 2006 bei der TKÜ zu präventiven Zwecken acht Verfahren eingeleitet, die zu 15 Abhörmaßnahmen geführt haben.

Wenn die Online-Durchsuchung nicht nur zur Gefahrenabwehr in Bezug auf Terrorismus genutzt wird, sondern auch zur Aufklärung schwerer Straftaten in die StPO aufgenommen würde – was ich befürworte –, dann könnte es womöglich eine etwas höhere Zahl von Durchführungen geben. Aber dabei ginge es wie gesagt nicht um jedermanns Computer, sondern um reguläre Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften, die z.B. zur Aufklärung verabscheuungswürdiger Straftaten wie Kinderschändung und Kinderpornographie nicht grundlos eingeleitet werden.

Dass alle technischen Mittel (auch die Online-Durchsuchung) natürlich keine Allheilmittel sind, ist völlig klar. Aber auch dieses begrenzte Mittel sollte – in rechtsstaatskonformer Weise – genutzt werden, weil auch begrenzte Fortschritte in der Gefahrenabwehr Menschenleben retten können.

Zur Vorratsdatenspeicherung: Der Name „Vorrat“ kommt ja daher, dass die Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten erlaubt ist. Bei der Umsetzung in nationales Recht werden wir dies im Detail sicherstellen.

Zu Ihrem Vorwurf des Aufbaus „eines Überwachungsstaates nach russisch-chinesischen Vorbild“: Über diesen Vorwurf sollten Sie nochmals nachdenken. Überwachungsstaaten zeichnen sich dadurch aus, dass sie einfach überwachen und nichts so sehr scheuen wie die öffentliche demokratische Auseinandersetzung über ihre Überwachungsinstrumente. Bei uns ist das Gegenteil der Fall: Bundesminister Schäuble war es, der die Online-Durchsuchungen, die die rot-grüne Regierung ohne Rechtsgrundlage provisorisch verfügt hatte, gestoppt hat. Alle Pläne werden der Öffentlichkeit vollständig vorgestellt und diskutiert. Am Ende sollen sie auf regulärem Weg Eingang ins Recht finden.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Uhl