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Hans-Peter Friedrich
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Frage von Hans-Günter G. •

Frage an Hans-Peter Friedrich von Hans-Günter G. bezüglich Recht

Sehr gehrter Herr Dr. Friedrich,

als ich zum ersten Mal las, dass ein Richter vom Landgericht Köln den Mut aufbrachte, einen wehrlosen Säugling vor dem religiösen Irrsinn einer Beschneidung zu schützen, spürte ich eine gewisse Genugtuung. Doch das Aufheulen des Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland und das Verteidigen „religiöser Traditionen“ unseres Außenministers Westerwelle haben mir wieder gezeigt, dass Religionen sich über Gesetze und Menschenrechte hinwegsetzen können und Politiker, aus welchen Gründen auch immer, diesen Gesetzesbruch auch noch zu rechtfertigen suchen.

Ein Menschenrecht ist z. B. das Recht auf Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt. Warum erlaubt man den Jüdischen Gemeinden in Deutschland, sich über dieses Menschenrecht hinweg zu setzen und aus religiöser Tradition, dieses Beschneidungsritual an wehrlosen Kindern zu praktizieren?

Macht sich nicht jeder, der von solchen Verstümmelungen an Kindern weiß und nicht zur Anzeige bringt, nicht strafbar?

Für eine Antwort bedanke ich mich herzlich.

Hans-Günter Glaser

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Glaser,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Selbstverständlich sind auch Politiker und Religionsgemeinschaften an Recht und Gesetz gebunden. Der Staat hat darüber hinaus auch grundsätzlich die Pflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, schützend einzugreifen, wenn ein Bürger durch ein Handeln eines Dritten in seiner körperlichen Unversehrtheit betroffen ist. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Staat auch die Grundrechte des Dritten zu wahren hat. In einem solchen Fall hat der Staat einen Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen zu schaffen.

Übertragen auf den von Ihnen genannten Fall stehen sich folgende Grundrechte gegenüber: Auf der einen Seite das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, auf der anderen Seite das Grundrecht der Eltern auf Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Bei allen drei genannten Grundrechten handelt es sich um bedeutende Rechtsgüter, von denen keines von vornherein überwiegt. Vielmehr ist im Einzelfall ein angemessener Ausgleich zwischen den Grundrechten zu schaffen. Dabei darf das Kindeswohl nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden, gleichzeitig muss jedoch auch den Grundrechten der Eltern auf Religionsfreiheit bzw. auf Erziehung ihrer Kinder hinreichend Rechnung getragen werden. Im Rahmen einer solchen Abwägung ist dann insbesondere auch auf die konkreten Umstände einer Beschneidung im Einzelfall, etwa die Einhaltung medizinischer Standards, einzugehen.

So wird auch die Frage der Zulässigkeit einer religiös motivierten Beschneidung von den Gerichten bisher uneinheitlich beurteilt. Aus diesem Grunde kann auch nicht generell von einer Strafbarkeit solcher Beschneidungen ausgegangen werden. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht strafbar, eine geplante, religiös motivierte Beschneidung nicht zur Anzeige zu bringen. Die Nichtanzeige geplanter Straftaten ist ohnehin nur in den vom Katalog des § 138 StGB genannten Fällen strafbar; die Beschneidung fällt nicht hierunter.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Peter Friedrich MdB

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