Frage an Hans-Peter Friedrich von Wilfried S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Gerade eben, Herr Dr. Friedrich,
habe ich mir in der Tagesschau die Zahlen zum Wahlausgang in Mecklenburg-Vorpommern angesehen.
Unabhängig von der Stimmenverteilung ist mir dabei die geringe Wahlbeteiligung aufgefallen, die die tatsächliche Legitimation der Gewählten durch die wahlberechtigten Bürger fast halbiert.
Wie werten Sie als Verfassungsminister diese Entwicklung, die aus meiner Sicht auch ein Ausdruck dessen zu sein scheint, daß eine zunehmende Anzahl der Bürger meint, die Politik habe ihr Gestaltungsprimat an die "Märkte" und deren Akteure abgegeben; vollziehe nach, was diese vorgäben.
Mit freundlichem Gruß
Wilfried Steinicke
Sehr geehrter Herr Steinicke,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 4. September 2011.
Leider trifft es zu, dass die Teilnahme an Kommunal-, Landtags,- Europa- und Bundestagswahlen seit geraumer Zeit rückläufig ist. So war bei der Bundestagswahl 2009 mit 70,8 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung seit Bestehen der Bundesrepublik zu verzeichnen. Damit setzt sich nach den sehr hohen Wahlbeteiligungen vor allem in den 1970er Jahren ein seit den späten 1980er-Jahren überwiegend festzustellender Trend fort. Ein solcher Rückgang der Wahlbeteiligung ist meines Erachtens nicht gut für unsere Demokratie, weil Wahlen die wichtigste Form politischer Teilhabe sind.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Zum Teil liegt darin ein politischer Normalisierungsprozess, wenn man bedenkt, dass traditionelle Demokratien wie die Schweiz und die USA seit jeher relativ niedrige Wahlbeteiligungen aufweisen. Nichtbeteiligung an Wahlen ist zunächst ein durchaus ambivalentes Phänomen, denn sie kann auch aus einem fehlenden Bedürfnis nach politischer Einflussnahme wegen grundsätzlicher Zufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen resultieren. Andere Faktoren können Anlass zur Beunruhigung geben, denn viele Nichtwähler haben eine Distanz zur Politik entwickelt und schätzen ihren politischen Einfluss als gering ein; sie glauben teilweise nicht, dass sich Parteien und Politiker ausreichend um ihre Belange kümmern. Diesem wie ich meine falschen Eindruck müssen die politischen Parteien gemeinsam entgegentreten. Denn das Wahlrecht ist nach wie vor das bedeutendste Teilhaberecht der Bürger in unserer Demokratie. Nur wer wählt, kann Einfluss darauf nehmen, wer ihn regiert.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB
Bundesminister des Innern