Hans-Joachim Strüder
CDU
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Frage von Rolf M. •

Frage an Hans-Joachim Strüder von Rolf M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Strüder,

In der kurz vor Weihnachten vom BM für Bildung und Forschung herausgegebene Studie" Bildungs(Miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/ männlichen Jugendlichen" wird wie schon vorher in 2 weiteren Studien festgestellt ,dass Jungen in der Schule bei gleichen Kompetenzen schlechtere Noten bekommen.
Sehen Sie Handlungsbedarf, dieses abzustellen. Falls ja, welche Massnahmen würden Sie befürworten?

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Muschick

Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Muschick,

zunächst der Hinweis, dass ich leider aufgrund eines Fehlers auf der Homepage Bundesministeriums für Bildung und Forschung den neuen Bericht von 2007 nicht in Gänze lesen konnte, sondern nur einen kommentierenden Ausschnitt, der das von Ihnen angesprochene Detail belegt. Deshalb hier das ganze Zitat, damit Sie erkennen können, worauf ich mich in der Antwort beziehe.

Zitat
Bildungs(Miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/männlichen Jugendlichen Die Studie für das BMBF vergleicht Schulleistungen und Noten von Jungen und Mädchen. Jungen sind in der Schule weniger erfolgreich als Mädchen. Je geringer qualifizierend die Schulform, desto höher der Anteil an Jungen: Ihr Anteil an Hauptschulen beträgt 56%, an Gymnasien 45%. Jungen bleiben häufiger sitzen, etwa jeder 10. bleibt ohne Abschluss. Mädchen werden bei gleicher Leistung besser benotet: Bei gleichem Interesse zeigen die Leistungen in verschiedenen Fächern geringe Kompetenzdifferenzen. Junge Männer erweisen sich beim Übergang in Studium und Beruf aber oft als erfolgreicher, ergreifen besser bezahlte und karriereorientiertere Berufe (Quelle: Bildungsserver Hessen - http://lernarchiv.bildung.hessen.de/erziehung/ezg/jungen/edu_1199461411.html?show_all=1
)

Meine folgende Ausführung zu Ihrer Frage läßt sich eigentlich nicht so kurz beantworten, da die Gründe für die hier zu Tage tretenden Ergebnisse sehr vielschichtig sind und keine einfache Handlungsableitung zulassen. (Die Prozentzahlen differenzieren nicht nach dem sozialen und gesellschaftlichen Hintergrund, lassen aber sehr wohl Vermutungen zu.)

Sie als Lehrer kennen sicher die Problematik, dass es in der Entwicklung von Kindern geschlechtsspezifische biologisch bedingte Unterschiede gibt. Ein kleines Bespiel: Erzieherinnen berichten immer wieder davon, dass Mädchen den Jungen voraus sind, was z.B. Sprache angeht, was den Umgang mit der Schere angeht etc. Mädchen sind in dem Alter oft mutiger, scheinen Anforderungen bei Spielen schneller umzusetzen. Diese Unterschiede verwischen sich zum Ende des Kindergarten, die Kompetenzen sind dann nahezu gleich bei den Kindern, bis auf Ausnahmen, die auch schon im Vorfeld besondere Förderung erfahren haben. Aber, und dies wird man Ihnen sicher berichten können, zeigen sich schon im Kindergarten unterschiedliche, geschlechtsspezifische Verhaltensweisen. Diese "Erleben" die Kinder sicher zum größten Teil im häuslichen Umfeld, aber sind meines Erachtens auch zumindest teilweise genetische bedingt. Nehmen Sie als Beispiel den Karneval. Im Regelfall wollen die Jungen in die Rolle eines "Leittiers" schlüpfen, sind der Tiger, sind der Pirat, sind der Königssohn. Klar, dass Papa und Mama da mithelfen, vielleicht auch entscheiden? Die Jungen wollen dann oft wie der starke Papa sein. Ich habe die eigene Erfahrung gemacht, dass dies nicht nur durch Erziehung und Umfeld geprägt wird.
Diese scheinbar auch genetisch bedingte Anlage trägt oft auch Frücht im Gehabe nach außen, wird dann oft als "rüpelhaftes Benehmen" tituliert. Ist es im Grunde aber streben nach einer bestimmten Wertigkeit, die auch soziokulturell bedingt ist. Dieses Gehabe bricht durch und weckt Sympathie, meist aber Antipathie, weil es als störend empfunden wird. Dies hat imment auch die oft negative Beurteilung von Kompetenzen, da man ganz unbewußt Person und Leistung nicht mehr trennt. Sobald übrigens bei den Mädchen die Pubertät einsetzt, ändert sich auch die Außenwirkung der Mädchen und ein Beurteilungsknick setzt ein. Die häufig längere und spätere Pubertät der Jungen kehrt das Bild wieder um, zumal es augenscheinlich immer noch bestimmte Initiationsriten gibt, die das Auftreten der Jungen in ihrem Verständnis von "Männlichkeit" komplett verändern. In unserer heutigen Gesellschaft, in der eben die soziokulturelle Prägung nicht mehr ausschließlich auf einer europäischen, damit christlich-abendländischen Tradition beruht, wird das verstärkt deutlich.
Aber ich glaube, dass Ihnen das als Pädagoge nicht fremd ist.

Ich glaube, dass sich hier insgesamt ein gesellschaftlicher Handlungsbedarf ergibt. Solange es noch die typischen "männlichen" Eigenschaften gibt, als Maß für den Grad der Wertigkeit eines Mannes wird das Problem sich nicht verändern. Erst wenn, auch hier im Anschluss an Ihrer erste Frage zur Quotierung, es deutlich wird, das der beste Kopf und nicht der kräftigste das Maß für den eigenen Lebenserfolg darstellt, wird es eine Änderung geben.
Mit der Erweiterung der Angebote für in der frühkindlichen Erziehung, (Frau von der Leyen (CDU)/Ausweitung der Krippenangebote, dem dritten für Eltern beitragsfreien Kindergartenjahr (CDU/F.D.P. Niedersachsen)), den Angeboten zur besseren Bildung (Ganztagsschulangebote), kann sicherlich eine bessere Steuerung der Jungen erfolgen, mit dem Ziel, diese Verständnisdefizite aufzubrechen. Denn Lerndefizite sind es nicht. Allerdings nützt dies alles nichts, wenn die Gesellschaft, in der wir alle Verantwortung tragen nicht auch dieses umsetzt. Ich glaube, dass bei einem Umdenken auch eine intrinsische Motivation für Lernen bei den Jungen entstehen wird, die zurzeit verschüttet wird.

Bitte verzeihen Sie, wenn ich meine Meinung so verknappt dargestellt habe.

Mit freundlichen Grüßen aus Northeim
Hans-Joachim Strüder