Was sind die aktuellen politischen Vorgehensweisen, um Betroffenen von Post Covid, Post Vac und ME/CFS zu unterstützen? Was wird getan, um nach Behandlungen, Therapien, Medikamenten etc. zu forschen?
Hallo Frau Neumann,
warum wird nicht mehr für die Versorgung von PostCovid, PostVac und ME/CFS Betroffenen getan?Wissen Politiker*innen nicht, dass Zeit eine große Rolle beim Verlauf der Erkrankung spielt?Der Zustand von Betroffenen verschlechtert sich zunehmend und die Chance auf Heilung wird geringer.Wir, Betroffene und ihre Angehörigen brauchen Ihre Unterstützung.Sie haben die Macht, die Stimme und die Kraft, die den Betroffenen fehlt.Bitte nutzen Sie diese, so dass hundertausende Menschen nicht ihr Leben lang ans Bett gebunden sind.Es gibt Möglichkeiten: das Medikament BC007, Immundadsorption etc..Bitte sorgen Sie dafür, dass Aufklärungskampagnen starten, so dass die Ärzt*innen Odysee, das ständige Rechtfertigen/ Erklären, der Kampf, um eine Versorgung etc. endet und die Versicherungen unterstützen.Auch die Pflegeversicherung muss greifen.Nicht jede*r hat ein soziales Netzwerk.Ich bin eine verzweifelte Partnerin eines Post Covid Erkrankten und bitte Sie Stellung zu beziehen.
Sehr geehrte Frau Nadine E.,
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst einmal wünsche ich Ihrem Partner von Herzen gute Besserung und Ihnen viel Kraft für die Betreuung, die Sie sicherlich sehr in Anspruch nimmt.
Entschuldigen Sie bitte die späte Antwort. Ich arbeite nicht zum Thema Gesundheitspolitik und musste mich daher selbst erst einmal informieren.
Im Folgenden einige Informationen dazu, was die EU in diesem Bereich unternimmt:
- Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) analysiert derzeit die wissenschaftliche und so genannte graue Literatur zum Thema Post-COVID. Ziel ist hierbei, in Kürze eine Übersicht über die Literatur hierzu zu veröffentlichen, sowie die regelmäßige Aktualisierung des Abschnitts über klinische Merkmale in seinem Online-Verzeichnis zu COVID-19.
- Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) steht in Kontakt mit mehreren Unternehmen, die Therapeutika entwickeln, welche möglicherweise COVID-Langzeitsymptome bekämpfen könnten. Die EMA steht diesen Unternehmen auch wissenschaftlich beratend zur Seite. Über ihre Pandemie-Taskforce überwacht die EMA zudem alle verfügbaren Informationen über die Wirksamkeit von Impfstoffen gegen Long-COVID. Im nächsten Jahr könnten wichtige Versuche Ergebnisse für Medikamente liefern, die auf das Immunsystem, Blutgerinnsel oder schlummernde Fragmente des Coronavirus selbst abzielen. Die Forscher*innen haben bereits herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit für Long-COVID-Symptome mit zwei COVID-19-Impfdosen fast halbiert wurde (ein Rückgang um 41 %), verglichen mit einer ungeimpften Person.
- Die Europäische Kommission steht hinsichtlich potenzieller Therapeutika zur Behandlung von Long-COVID regelmäßig mit den wissenschaftlichen Expert*innen der EMA in Verbindung. Zudem steht die Kommission bereit, die Mitgliedstaaten bei Bedarf beim Zugang zu Therapeutika zu unterstützen, die sich als sicher und wirksam erwiesen haben.
- In ihrer Mitteilung vom 2. September 2022 fordert die Kommission die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit beim Sammeln aktueller Erkenntnisse bzgl. Post-COVID und bei der Schulung von Gesundheitspersonal in der Diagnose und Behandlung von Post-COVID, insbesondere in der Primärversorgung, auf; unten spezifische Links:
- Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Reaktion der EU auf COVID-19: Vorbereitung auf Herbst und Winter 2023, KOM/2022/452
- Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, COVID-19 – Gewährleistung von Vorsorge und einer wirksamen Reaktion der EU: Ein Blick in die Zukunft, KOM/2022/190
- Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) hat einen Bericht über die Auswirkungen von Post-COVID auf Arbeitnehmer*innen und Arbeitsplätze veröffentlicht und einen entsprechenden Leitfaden für Führungskräfte herausgegeben.
Wie Sie wissen, sehen sich Post-COVID- oder Long-COVID-Betroffene nach einer COVID-19-Infektion mit einem breiten Spektrum neuer, wiederkehrender oder andauernder Gesundheitsprobleme konfrontiert. Es braucht mehr Forschung, um besser zu verstehen, wie viele Menschen an Long-COVID erkranken und wer am stärksten gefährdet ist, was im Körper hierbei passiert, welche Verbindung zwischen Long-COVID und anderen Postinfektionssyndromen besteht und was getan werden kann, um Menschen mit Long-COVID zu helfen. Unten finden Sie Beispiele für Initiativen der EU in diesem Bereich:
- Die EU finanziert sechs Forschungsprojekte zu Long-COVID im Rahmen der „Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für personalisierte Medizin und Infektionskrankheiten im Jahr 2021“. Das Long-COVID-Projekt wird Wissen bündeln und Instrumente entwickeln, um Ärzt*innen bei der korrekten Behandlung von Long-COVID zu unterstützen. (Weitere Einzelheiten hierzu auf CORDIS).
- Die Kommission unterstützt mit mehr als 55 Millionen Euro große Kohortenstudien zu COVID-19. Hierbei werden Bevölkerungsgruppen aus der ganzen Welt über längere Zeiträume beobachtet, um Risikofaktoren, Langzeitfolgen und Symptome von COVID-19-Infektionen inklusive Long-COVID zu ermitteln.
- Die Kommission hat außerdem das so genannte Expert*innengremium für wirksame Investitionen in die Gesundheit beauftragt, ein Gutachten über die Auswirkungen von Post-COVID auf die Gesundheitssysteme zu verfassen. Im Mittelpunkt des Gutachtens stehen drei Schlüsselfragen:
- die Definition von Post-COVID-19 und seiner wahrscheinlichen Ursachen und Symptome
- die Frage, wie die Gesundheitssysteme geeignete Angebote für Patient*innen mit Post-COVID konzipieren und entwickeln können
- die Frage, wie die öffentliche Gesundheitsüberwachung angepasst werden sollte, um die Auswirkungen von Post-COVID auf die Bevölkerung zu messen.
Die Stellungnahme wird voraussichtlich diesen Monat vorliegen.
Weitere Informationen finden Sie auf der speziellen Website der Europäischen Kommission mit Informationen über die EU-Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus und im gesonderten Bereich der EU-Website für Veröffentlichungen. Eine Auswahl von Dokumenten zu COVID-19, die auf EUR-Lex (dem Verzeichnis zu EU-Recht) veröffentlicht wurden, finden Sie hier.
Als Fraktion Grüne/EFA im Europäischen fordern wir die Europäische Kommission und die nationalen Gesundheitsminister*innen regelmäßig auf, die Problematik ernst zu nehmen. Mehrere Abgeordnete der Grünen/EFA sind Mitglied im Sonderausschuss des Europäischen Parlaments zu Covid-19, dessen Ziel es ist, ein Fazit aus den Erfahrungen mit der Pandemie zu ziehen und in einem Bericht politische Empfehlungen zusammenzufassen.
In Anhörungen mit Expert*innen im Sonderausschuss haben wir eine Reihe von Fragen zum Stand der Dinge in Bezug auf das Post-COVID-Syndrom gestellt. Epidemiolog*innen, nationale Gesundheitsminister*innen, EU-Kommissar*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft waren sich in ihren Antworten einig, dass das Post-COVID-Syndrom sehr komplex ist. Das Post-COVID-Syndrom wird von den Expert*innen, mit denen wir uns treffen, weitgehend anerkannt. Jedoch besteht die Schwierigkeit darin, dass die Symptome sehr unterschiedlich sein können. Daher ist es schwierig, eine klare Definition dafür zu entwickeln, wer an Post-COVID leidet, wer gefährdet ist und wie die Forschung zu möglichen Behandlungen ausgerichtet werden kann.
Als Grüne/EFA-Fraktion versuchen wir regelmäßig, politische Aufmerksamkeit auf die zu erwartenden weitreichenden Auswirkungen von Post-COVID zu lenken. Dazu gehören beispielsweise langanhaltende psychische Probleme wie Depressionen, aber auch finanzielle Probleme, die möglicherweise den Bedarf für zusätzliche finanzielle Unterstützung erhöhen. Wir fordern die Europäische Kommission auf, die zu erwartenden langfristigen gesellschaftlichen Folgen zu berücksichtigen, z. B. für den Arbeitsmarkt, sowie die Auswirkungen auf unsere Gesundheitssysteme und die allgemeine wirtschaftliche Belastung.
Sie sehen: Als Grüne/EFA arbeiten wir kontinuierlich daran, dieses Thema ganz oben auf die gesundheitspolitische Agenda zu setzen. Wir sorgen u.a. dafür, dass mehr Forschungsmittel zur Verfügung gestellt werden, um bessere Erkenntnisse über die Krankheit zu gewinnen und die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern, und sprechen Empfehlungen aus, um z.B. die nationale Politik in Richtung besserer Sozialleistungen für Post-COVID-Betroffene zu lenken.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit einen Überblick geben dazu, wie sich die EU und insbesondere die Grüne/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament in den von Ihnen angesprochenen Bereichen engagiert.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen,
Hannah Neumann