Frage an Hannah Neumann von Edgar R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Neumann,
das ist schön, wenn man einmal eine direkte Frage stellen kann, denn vielmals ist es schwer, zu den wesentlichsten Themen Fragen zu stellen.
Meine zwei brennendsten Fragen zum Friedensbeitrag: Wie können Sie sich in Gegenwart von unserer Generation, den negativen Politikwechsel gegenüber von Russland und China erklären? Und welche gegensteuernden Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, z. B. im Bund, um eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden?
Diese Fragestellung beruht natürlich unter der Berücksichtigung von einigen bekannten Stolpersteinen innerhalb der Ost-Westbeziehungen.
Wenn man diese einmal nach Ost-West gegeneinander aufrechnet, findet man erstaunlicherweise mehr irritierende Fakten auf Seiten des Westens.
Begleitgedanken zu den Fragen an die Verantwortlichen:
Besonders die älteren, „kriegsnäheren“ Generationen wundern sich, warum man seit einigen Jahren einen solchen offensichtlichen Poli-tikwechsel durch die westliche Seite vollziehen konnte.
Ist es nicht so, dass wir aus der Geschichte diese Form von kurzsichtigen Argumenten vor vielen Kriegsausbrüchen kennen?
Ist es nicht so, dass Beziehungspflege mehr hilft, als Vorhaltungen, Aufrechnungen, Einmischungen, Druck und ständig neue Sanktionen?
Ist es nicht so, dass man zur wahren Konfliktlösung, Ehrlichkeit und Akzeptanz vorweisen muss, um gemeinsam von einem Ausgangspunkt starten zu können??
Warum haben die alten warnenden Sätze, wie z. B., „nie wieder Krieg“, ihre einstige Greifbarkeit verloren?
Wie gefährlich sind die ablenkenden Gesellschafts-Diskussionen?
In Hochachtung
E. Reinbold
Sehr geehrter Herr Reinbold,
Vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworten möchte.
Wir Grünen streben eine langfristige und nachhaltige Außenpolitik an, die auf die Verteidigung der Menschenrechte einerseits und Dialogbereitschaft andererseits setzt. Aufrechterhaltung und Pflege diplomatischer Beziehungen sind Kern einer solchen Außenpolitik; Sanktionen sind hierzu eine Ergänzung. Sie können aber bei Verantwortlichen Verhaltensänderungen bewirken, zum Beispiel beim Thema Menschenrechtsverletzungen. Das ist auch das Ziel des neuen EU-Menschenrechtssanktionsmechanismus, für den wir uns auf EU-Ebene starkgemacht haben. Bei schweren Verstößen gegen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind Sanktionen durchaus gerechtfertigt.
Sie haben die Veränderungen im Verhältnis zu Russland angesprochen. Leider hat sich Russland zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft. Hier müssen Deutschland und die EU entsprechend reagieren. Daher wurden zum Beispiel wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und des militärischen Vorgehens gegen die Ukraine Sanktionen gegen Russland verhängt. Für eine Lockerung dieser Sanktionen hat die EU klare Bedingungen formuliert. An diesen werden wir festhalten und die Sanktionen bei Bedarf verschärfen.
Aber es gibt auch positive Entwicklungen, denn die Demokratiebewegung erstarkt in Russland. Die mutige Zivilgesellschaft, die der immer härteren Repression durch den Kreml die Stirn bietet und für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpft, wollen wir unterstützen und den Austausch mit ihr intensivieren.
Was China anbelangt, so ist das Land Europas Wettbewerber und Partner – aber es wird nicht demokratisch regiert. Im Land werden Oppositionelle verfolgt und Minderheiten wie die Uiguren unterdrückt. Daher verlangen wir von China ein Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen, die zum Beispiel in Xinjiang und Tibet und zunehmend auch in Hongkong stattfinden.
Gerade zum Beispiel im Bereich Klima müssen wir aber mit China zusammenarbeiten. Daher streben wir gemeinsame politische, wirtschaftliche und technologische Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise und einen konstruktiven Klima-Dialog mit China an. Nur: Diese Kooperation darf nicht zu Lasten von Drittstaaten oder von Menschen- und Bürger*innenrechten gehen.
Sie haben „die alten warnenden Sätze, wie z.B. ‚nie wieder Krieg‘“ erwähnt. Diese waren sicherlich nach Ende des 2. Weltkriegs sehr präsent und darauf ist ja auch die Gründung der EU zurückzuführen. Die Europäische Union hat uns eine noch nie da gewesene Phase des Friedens beschert. Jedoch gilt das nicht für ganz Europa (wenn man zum Beispiel an das ehemalige Jugoslawien oder die Ukraine denkt) geschweige denn die ganze Welt. Wenn ich in meiner Rolle als Außenpolitikerin aber mit Menschen in verschiedenen Ländern spreche, dann nennen diese mir immer wieder die EU als Vorbild dafür, dass man „Frieden lernen kann“. Ich finde, darauf können wir wirklich stolz sein – aber die EU muss die Werte, auf denen sie gründet, wie Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, eben auch nach außen vertreten.
Mit freundlichen Grüßen,
Hannah Neumann