Frage an Hannah Neumann von Esther I. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Dr. Neumann,
in der deutschen Politik vertreten Die Grünen die Meinung, Prostitution sei "ein Beruf wie jeder andere" und haben durch das Gesetz von 2002 Deutschland zur Drehscheibe für den internationalen Menschenhandel gemacht. Wie erklären Sie Ihren französischen Abgeordnetenkolleg!nnen diese Politk der Grünen, wenn in Frankreich Prostitution als Verletzung der Menschenwürde anerkannt ist und Freier bestraft werden?
Sehr geehrte Frau I.,
Sie sprechen ein sehr sensibles Thema an. Auch ich finde die Abwägung zwischen dem Schutz von Frauen vor (Zwangs-)Prostitution, dem Schutz von Frauen in der Prostitution und dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen, die diesen Beruf ergreifen wollen, sehr schwer. In Deutschland war die Debatte vor Allem 2002 virulent. Damals trat unter Rot-Grün das Prostitutionsgesetz in Kraft. Prostitution ist seitdem nicht mehr sittenwidrig, sondern eine legale Erwerbstätigkeit. Das Gesetz hat zu mehr Rechtssicherheit für die Prostituierten geführt, auch wenn diese nicht von allen genutzt wird. Das Prostitutionsgesetz war auch ein erster Schritt, um die soziale Situation der Prostituierten zu stärken. Es hat den Bereich des Sexgewerbes entkriminalisiert und die Doppelmoral rechtlich beendet.
Wir Grüne wollten es immer mit dem Ziel eines möglichst weitgehenden Schutzes der Prostituierten weiterentwickeln. 2016 kam hierzu dann ein neues Gesetz durch die große Koalition, das leider weitestgehend wirkungslos ist, da die Ländern die Umsetzung recht unterschiedlich angegangen sind.
Hier sehe ich Nachbesserungsbedarf. Wir Grünen wollen keine Stigmata aufbauen, sondern zum Schutz und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Prostituierten beitragen, wozu praxistaugliche Regelungen nötig sind. Konkret müssen wir auch nach dem neuen Gesetz gesetzliche Grundlagen vertraglicher Arbeitsbedingungen verbessern, um Kriminalität wie Menschenhandel, Gewalt gegen Frauen und Ausbeutung und Zuhälterei zu bekämpfen. Das gilt für ganz Europa. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung von Arbeitskraft muss konsequent und wirkungsvoll bekämpft werden: mithilfe des Strafrechts, durch Information und Beratung, durch die konsequente Durchsetzung der Arbeits- und Sozialrechte der Betroffenen sowie durch Schutz und Hilfe für die Opfer. Diese dürfen nicht einfach in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, sondern brauchen Schutzprogramme und ein dauerhaftes Bleiberecht. Nur so können wir die Anzeige- und Aussagebereitschaft deutlich erhöhen und damit Menschenhandel effektiv bekämpfen.
In Frankreich ist die Gesetzeslage, wie Sie beschreiben, eine Andere. Dass wir, auch innerhalb unserer Grünen Gruppe, manchmal unterschiedliche Meinungen in unterschiedlichen Ländern haben, ist normal. Daraus dann eine europäisch Positionierung zu entwickeln, ist Teil des demokratischen Prozesses. Den nach der Wahl vielleicht mit gestalten zu können, darauf freue ich mich.
Mit grünen Grüßen,
Hannah Neumann