Frage an Hannah Neumann von Ottjörg A. bezüglich Recht
So wie Sie ist die Künstlergruppe für "politische Schönheit" in Berlin ansässig. Es geht mir hier nicht um die künstlerische Qualität dieser Gruppe.
Sie wurde 16 Monate von einem Staatsanwalt aus Thüringen ausgespäht, unter dem Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Dies geschah obwohl ein Gericht in Köln die angeblich kriminelle Tat längst als solche nicht erkennen konnte und die Aktion von der Freiheit der Kunst gedeckt sah.
Der Justitzminister Lauinger, Ihr Parteikollege von den Grünen hat den Vorfall hemdsärmlig vom Tisch gewischt und hinter den Staatsanwalt gestellt. Zwei Ihrer Parteikollegen, Frau Bayran und Herr Ötzdemir firmieren als Erstunterzeichner einer Petiton für die Freiheit der Kunst und für die Unterlassung solcher Einschüchterungsversuche von rechtslastigen Juristen.
siehe hierzu: https://www.change.org/p/finger-weg-von-der-kunstfreiheit-stoppt-die-kriminalisierung-politischer-kunst-politicalbeauty-bodoramelow-zps-zsch%C3%A4chner/u/24417818
https://www.sueddeutsche.de/kultur/zentrum-fuer-politische-schoenheit-offener-brief-kuenstler-1.4405958?utm_source=change_org&utm_medium=petition
Wie ist Ihre Position in diesem Fall?
Sehr geehrte/r Frau/Herr Ottjörg,
die Kunstfreiheit als Teil der Meinungsfreiheit ist für unsere Gesellschaft ein wichtiges Gut. Sie ist eine der wesentlichen Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für unseren (nicht nur kulturellen) Fortschritt. Künstler*innen tragen mit ihren Werken maßgeblich zum Gedanken- und Meinungsaustausch bei, der für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich ist. Das Zentrum für Politische Schönheit hat hier in der Vergangenheit durchaus provokant den Finger in wichtige Wunden gelegt. Das Gebot des Pluralismus und der Toleranz erfordern, dass diese Freiheit nicht nur Werke, Meinungen und Ideen umfasst, die positiv rezipiert werden, sondern auch all jene, die beleidigen, provozieren oder stören. Manche Aktionen entfalten ja gerade erst durch das Provozieren und Stören ihre volle Wirkung.
Nun ist die Meinungsfreiheit aber kein absolutes Recht und kann durchaus beschränkt werden. Allerdings müssen Beschränkungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten legitimen Ziel stehen. Das zu überprüfen obliegt in einzelnen Fällen der Justiz. Darüber, ob ein einzelner Staatsanwalt dazu 13 Monate recherchieren muss, kann man geteilter Meinung sein. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in diesem Zusammenhang aber ein hohes Gut. Das macht es einem Justizminister, wie Herrn Lauinger, immer schwer bis unmöglich, die Justiz in einem laufenden Verfahren zu kritisieren. Selbst in einem solch strittigen Ermittlungsfall, wie dem vorliegenden, wäre es dem demokratischen Grundsatz der Gewaltenteilung abträglich, wenn ein Justizminister direkt Anweisungen an einen Staatsanwalt geben würde.
Mit etwas Abstand zur öffentlichen Aufregung lässt sich sagen: Herr Launiger hat sich keinesfalls hinter den Staatsanwalt gestellt, sondern den Vorfall intern geklärt. Mittlerweile wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt und der Staatsanwalt mit anderen Aufgaben betraut. Das zeigt, dass obwohl durch die Art und Länge der strafrechtlichen Ermittlungen dem notwendigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht Genüge getan wurde, das Korrektiv der demokratischen Kontrolle durchaus greift.
Mit grünen Grüßen
Dr. Hannah Neumann