Frage an Gunther Krichbaum von André O. bezüglich Recht
Guten morgen,
mich würde noch interessieren wie Sie zum Thema Studiengebühren stehen?
Sehr geehrter Herr Ott,
vielen Dank für Ihre Email über www.kandidatenwatch.de. Bitte gestatten Sie, dass ich zunächst die Frage nach den Studiengebühren beantworte:
Bei der Diskussion über die mögliche Erhebung von Studiengebühren müssen zwei Aspekte miteinander in Übereinstimmung gebracht werden: Zum einen darf der Anteil derjenigen, die pro Jahrgang ein Studium aufnehmen, nicht sinken. Sonst würde uns, gerade auch im internationalen Vergleich, künftig ein Defizit an gut ausgebildeten Akademikern drohen. Zum anderen kann aber eine möglichst hohe Zahl an Studierenden nicht die Qualität des Studiums ersetzen. Gerade um das Abwandern Hochqualifizierter in das Ausland zu verhindern, müssen wir Forschung und Lehre an unseren Universitäten deutlich verbessern.Deutschland braucht dringend eine bessere Finanzausstattung der Hochschulen, um im internationalen Wettbewerb der Lehr- und Forschungseinrichtungen zu vergleichbaren Bedingungen arbeiten zu können. Das Studiengebührenverbot hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass dringend notwendige Reformen im Hochschulbereich verhindert wurden. Es hat die Unterfinanzierung der Lehre mit verursacht. Nach Expertenmeinung fehlen den Hochschulen jährlich drei bis vier Milliarden Euro, davon allein eine Milliarde in der Lehre.
Zunächst begrüße ich die klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Unwirksamkeit des von Rot-Grün im Bundestag beschlossenen generellen Verbots von Studiengebühren ausdrücklich. Jetzt ist es Sache der Bundesländer, in ihrer Verantwortung für die Hochschulen und die Studierenden über die Erhebung von Semesterbeiträgen zu entscheiden. Daher halte ich auch die in den Medien geäußerte Warnung des Bundeskanzlers vor Studiengebühren für eine unangemessene Einmischung. Seine Regierung ist mit ihrem Gesetz gescheitert, nun sollte er den Ländern das weitere Vorgehen überlassen.
Untersuchungen aus anderen Staaten haben gezeigt, dass die Einführung von Studiengebühren keinen Einfluss auf die Entscheidung zur Aufnahmen eines Studiums hat. Voraussetzung dafür ist natürlich ein funktionierendes Stipendien- oder Finanzierungsmodell. Die Wissenschaftsminister der CDU-regierten Bundesländer haben dazu in einem Thesenpapier klargestellt, dass die Gesamtbelastung aus Rückzahlung der Studiengebühren und eventueller BAföG-Zahlungen in der Höhe begrenzt werden muss. Selbstverständlich dürfen wir die jungen Akademiker nicht mit den zurzeit in den Medien verbreiteten horrenden Schuldenbergen in ihr Berufsleben entlassen. Die vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg genannte Höchstsumme von 15.000 Euro erscheint mir dagegen angesichts der Chancen, die ein Studium ermöglicht, angemessen zu sein.
Die Erhebung von Studiengebühren, die natürlich stets nur eine Teilfinanzierung des Studiums sein werden, erscheint mir auch unter sozialen Aspekten sinnvoll zu sein. Bislang wird die Universitätsausbildung vollständig aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert. Damit trägt die nicht-akademische Bevölkerungsmehrheit mit ihren Steuerzahlungen die Hauptlast für die Ausbildung der Akademiker. Es darf nicht übersehen werden, dass ein Hochschulstudium die Chancen auf eine höhere Bezahlung und eine größere Arbeitsplatzsicherheit erhöht. Wenn Eltern für die Betreuung ihrer Kinder in den Kindertagesstätten häufig zu höheren Beiträgen herangezogen werden, als sie jetzt für die Studierenden im Raum stehen, erscheint es nicht unangemessen zu sein, wenn die Studierenden für ihren künftigen höheren Lebensstandard einen maßvollen Beitrag leisten.
Die staatliche Verantwortung für die Mittelausstattung der Universitäten darf durch die Gebührenerhebung selbstverständlich nicht eingeschränkt werden. Daher begrüße ich es ausdrücklich, wenn beispielsweise die Landesregierung von Baden-Württemberg längerfristige Hochschulverträge mit den einzelnen Universitäten abschließen möchte, um Planungssicherheit herzustellen und gleichzeitig die Verantwortung des Landes für die Finanzausstattung zu dokumentieren. Ebenso sollte der Bund längerfristige Zusagen zur Hochschulbaufinanzierung abgeben. Die erhobenen Gebühren sollen als zusätzliche Mittelzuweisung für eine Verbesserung von Forschung und Lehre verwendet werden, sie dürfen nicht in den allgemeinen Haushalten der Länder aufgehen. Vielmehr sollen sie einen eigenständigen Beitrag der Studierenden zur Verbesserung der Qualität ihres eigenen Studiums darstellen. Es liegt dann an die einzelnen Hochschulen, wie sie die zusätzlichen Mittel verwenden. Hier kann ein echter Wettbewerb entstehen, der der Qualität zugute kommen wird. Daher bin ich auch davon überzeugt, dass eine nicht-bundesweite Einführung von Studiengebühren nicht zu einer auffallenden Verschiebung der Studierendenzahlen führen wird. Vielmehr wird die Qualität der Ausbildung bei der Wahl der Hochschule eine viel größere Bedeutung als heute erhalten.
Abschließend beurteilt bietet die Erhebung von Studiengebühren die Chance, die Qualität von Lehre und Forschung an unseren Hochschulen deutlich zu verbessern, wobei die bisherige staatliche Finanzierung aufrechterhalten werden muss. Gleichzeitig würde auch die Identifizierung der Studierenden mit ihrer Hochschule gestärkt werden. Hinsichtlich der Rückzahlungen erscheint es sinnvoll zu sein, die Tilgung der Gebührenkredite von einer bestimmten Einkommenshöhe nach dem Studium abhängig zu machen und Ermäßigungen für Kinder zu gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
Gunther Krichbaum