Frage an Guido Westerwelle von Christof Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,
wie stehen Sie zur IHK-Zwangsmitgliedschaft?
Wie so viele bin auch ich Zwangsmitglied der IHK. Jedoch verbietet die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" (UN-Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948) genau diese. In Artikel 20 Absatz 2 steht geschrieben: "Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören."
Leider ist Ihr Kollege von der CSU, Herr Göppel, auf diese Frage nicht eingegangen. Daher frage ich Sie, wie es sein kann, dass seit Jahrzehnten wissentlich gegen die Menschenrechte verstoßen wird, und das sogar noch mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichtes?
Ich bin der Meinung, dass eine Zwangsmitgliedschaft - wo auch immer - nicht in eine moderne Demokratie passt und schnellstens abgeschafft werden muss.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich nicht gegen die IHK bin, sondern nur gegen die Zwangsmitgliedschaft.
Weiter würde es mich interessieren, woher die IHK meinen Gewinn erfährt (dieser wird im Beitragsbescheid als Bemessungsgrundlage aufgeführt). Offensichtlich wird dieser vom Finanzamt an die IHK übermittelt. Widerspricht dies nicht dem Datenschutz? Ich habe das Finanzamt nämlich nicht ermächtigt, meine Daten weiterzugeben.
Mit freundlichen Grüßen
Christof Zottmann
Sehr geehrter Herr Zottmann,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 20. Mai 2008 und Ihre Frage.
Die FDP hat sich auf ihrem 57. ordentlichen Bundesparteitag in Rostock für eine umfassende Reform der Industrie- und Handelskammern, sowie der Handwerkskammern auf der Basis der bestehenden Pflichtmitgliedschaft ausgesprochen, wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Im Hinblick auf das deutsche Kammerwesen stehen zwei Prinzipien im Widerstreit, die für uns Liberale von grundlegender Bedeutung sind. Das ist zum einen die unternehmerische Handlungsfreiheit; und zum anderen die Selbstverwaltung der Wirtschaft, ohne erstere käme der wirtschaftliche Wettbewerb, die Grundlage unseres Wohlstandes, zum Erliegen; Ohne letztere würde die Staatsverwaltung noch weiter um sich greifen.
Dieser Interessenskonflikt prägte auch die Debatte in Rostock. 45 Delegierte meldeten sich zu Wort. Engagiert wurde um eine Lösung gerungen. Das Ergebnis steht den Liberalen gut zu Gesicht:
In unserem Parteitagsbeschluss geben wir der Überzeugung Ausdruck, dass die gegenwärtige Organisation der Kammern als Körperschaften öffentlichen Rechts die geeignete Form ist, um die Selbstverwaltung der Wirtschaft und die Interessenvertretung der Unternehmen zu gewährleisten. Unabhängig davon sehen wir bei den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern erheblichen Reformbedarf:
- Jene Kleinstfirmen, die keinen originär gewerblichen Charakter haben und nicht ausbilden können, sollen auf Dauer von Beiträgen befreit werden.
- Ferner müssen die Kammern für mehr Transparenz in ihrer Rechnungslegung, Geschäftsführung und Qualität sorgen. Wir erwarten zudem, dass sie sich auf ihre Kernaufgaben beschränken.
- Schließlich muss die innere Verfassung der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz ermöglichen.
Nur so werden die Kammern den Anforderungen einer sich immer weiter globalisierenden Wirtschaft gerecht und können dem bisweilen berechtigten Unmut über die Pflichtmitgliedschaft entgegenwirken.
Unter http://parteitag.fdp.de/files/94/BPT2006-Kammerwesen.pdf finden Sie zu Ihrer weitergehenden Information den kompletten Parteitagsbeschluss.
Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Guido Westerwelle, MdB