Frage an Guido Westerwelle von Oliver S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Geehrter Herr Westerwelle,
http://www.tagesspiegel.de/politik/international/EU-Reformvertrag-Referendum-Grossbritannien;art123,2489276
:"Der Reformtext sieht unter anderem einen auf zweieinhalb Jahre ernannten Ratspräsidenten und einen Hohen Repräsentanten für die Außenpolitik vor. Die 27 EU-Staaten sollen den EU-Vertrag von Lissabon bis Anfang 2009 ratifizieren, damit er bei den Wahlen zum Europaparlament im Juni 2009 bereits in Kraft ist.....
Die Regierungen der EU-Staaten hoffen, dass der EU-Vertrag von den Parlamenten ratifiziert werden kann, ohne dass Volksabstimmungen durchgeführt werden. Das einzige Land, in dem die Bevölkerung direkt über das Vertragswerk entscheidet, ist Irland. Dort ist ein Referendum verfassungsmäßig vorgeschrieben. Die Iren werden voraussichtlich im Mai abstimmen. Nach Rumänien, Ungarn, Malta und Slowenien hat im Februar Frankreich den EU-Vertrag ratifiziert. In Deutschland soll das Vertragswerk Ende Mai vom Bundestag verabschiedet werden. (sf/dpa/AFP)"
1.WARUM VERSCHWEIGT DIE POLITIK IN DER ÖFFENTLICHKEIT DIE WICHTIGKEIT DIESES ANGEBLICHEN EU-VERTRAGES DER EINE EU VERFASSUNG SEIN WIRD,
in der die Nationalstaaten einen Großteil ihrer Souveränität ungewählten Bürokraten in Brüssel viel Macht übertragen??
2.Warum klären Politik/Medien über dieses wichtigste Dokument die Bürger nicht genauso in Medienkampagnen auf wie seinerzeit bei der Einführung des Euros?
3.Warum werden die Bürger nicht in so eine wichtige Frage direkt
miteingebunden?
Laut Grundgesetz haben wir das Recht dazu, Art. 20, Abs.2, Satz 1: ALLE Staatsgewalt geht vom VOLK aus. In Dieter Hesselberger´s "GG", Kommentar für politische Bildung, sagt er zu diesem Satz, das GG verlangt einen zurückführbaren Willensentschluß des Volkes bei jeder Art der staatlichen Betätigung. Nur durch die Bundestagswahl ist die Regierung und der Bundestag NICHT legitimiert, unseren Nationalstaat der EU unterzuordnen ohne die Bevölkerung zu befragen. Das ist ein Verstoß gegen das GG.
MfG Oliver Stang
Sehr geehrter Herr Stang,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 22. März 2008 und Ihre Fragen zum EU-Reformvertrag, zu denen ich gerne Stellung nehme. Lassen Sie mich vorausschicken, dass der EU-Reformvertrag in seiner jetzt vorliegenden Form aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion grundsätzlich zu begrüßen ist. Er bringt die EU durch wichtige institutionelle Neuerungen einen Schritt voran und stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage dar. Die Union wird durch den neuen Vertrag handlungsfähiger und auch ein Stück weit demokratischer. Positiv hervorzuheben sind beispielsweise die gestärkte Rolle des Europäischen Parlaments, die stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente an der EU-Gesetzgebung und die neuen Abstimmungsregeln im Rat der EU ("System der doppelten Mehrheit"), durch die Deutschland angemessener repräsentiert wird.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die FDP-Bundestagsfraktion dem Vertrag uneingeschränkt positiv gegenüber steht. An einigen Stellen hätten wir uns mehr und besseres gewünscht. Kritisch sehen wir insbesondere, dass der "freie und unverfälschte Wettbewerb" - anders als im ursprünglichen Verfassungsvertrag - im Reformvertrag nicht mehr explizit als "Ziel der Union" genannt. Wachsamkeit ist aus unserer Sicht auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank angezeigt. Der Reformvertrag führt zwar nicht zu einer Änderung des rechtlichen Status der Bank, dennoch ist bedenklich, wenn die Zentralbank im Vertrag nur noch als eine EU-Institution unter vielen aufgeführt wird. Auch das Verfahren war nicht ideal: Die Regierungskonferenz, die den Vertrag erarbeitet hat, fand weitgehend hinter verschlossenen Türen statt. Der jetzt vorliegende Vertragstext ist selbst für Experten kaum lesbar. Zu oft wurde auch den Sonderwünschen einzelner Staaten nachgegeben. Als Fazit bleibt: Der EU-Reformvertrag ist besser als der Vertrag von Nizza, doch wäre der ursprüngliche Verfassungsvertrag für Europa besser gewesen.
Für den ursprünglichen Verfassungsvertrag hat die FDP von Anfang an den Vorschlag eines Referendums vorbehaltlos unterstützt, und dazu stehen wir nach wie vor. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Regierungen der anderen EU-Staaten nach dem Scheitern des Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden dazu entschlossen hat, anstelle des Verfassungsvertrags eine Änderung der bestehenden EU-Verträge vorzunehmen. Für eine solche Vertragsänderung ist nach den Bestimmungen des Grundgesetzes eine Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit erforderlich. Dies entspricht - wie oben bereits ausgeführt - dem Verfahren bei früheren Vertragsänderungen. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz liegt darin sicher nicht.
Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Guido Westerwelle, MdB
Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
Bundesvorsitzender der FDP