Frage an Guido Westerwelle von Thomas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,
verschiedenen Presseberichten zufolge halten Sie Frau Erika Steinbach nicht für geeignet, dem Stiftungsrat des Vertriebenenzentrum anzugehören.
Darf ich fragen, warum Sie Frau Steinbach dann noch vor wenigen Jahren für geeignet hielten, das Projekt überhaupt erst ins Leben zu rufen? In einem Interview im Focus aus dem Jahr 2003 äußern Sie nämlich auf die Frage, wie Sie das Projekt fördern: "Ich habe mich bereits in der vergangenen Woche mit der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, getroffen – und ich begrüße, dass unser Ehrenvorsitzender Otto Graf Lambsdorff zu den Unterstützern zählt. " Zudem kritisieren Sie im selben Interview den damaligen Kanzler Schröder und den damaligen Außenminister Fischer mit den Worten: "Der Außenminister und der Bundeskanzler sollten bei unseren Nachbarn für Verständnis werben. Ich verstehe nicht, warum der Bundeskanzler und der Außenminister den Sorgen der Nachbarn nicht entgegentreten, sondern die Debatte noch unverantwortlich anheizen. Das Engagement für das Zentrum ist selbstverständlich alles andere als erzkonservativ und revanchistisch."
Quelle: http://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-nicht-revanchistisch_aid_195302.html
Finden Sie nicht, dass Ihr derzeitiges Verhalten dem von Joschka Fischer im Jahr 2003 stark ähnelt? Wenn Frau Steinbach damals nicht problematisch war, warum sollte Sie es dann heute sein? Inwieweit sind die polnischen Vorbehalte heute qualitiativ anders und somit ernstzunehmender als im Jahr 2003? Besteht nicht die Gefahr, dass die FDP wieder mal ein "Fähnchen im Wind"-Image bekommt? Und letztlich: Gefährden Ihre Attacken auf Frau Steinbach nicht die schwarz-gelbe Koalition?
Beste Grüße
T. Baader
Sehr geehrter Herr Baader,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 20. November 2009 und für Ihre Fragen.
Danken möchte ich Ihnen auch für die Möglichkeit, zwei Missverständnisse ausräumen zu können: Erstens stehe ich heute genauso wie damals hinter dem Konzept der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und zweitens habe ich damals begrüßt, dass der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff das Zentrum gegen Vertreibung unterstützt. Insofern hat sich an meiner Haltung nichts geändert.
Als deutscher Außenminister habe ich die deutschen Interessen zu vertreten. Dazu gehört, dass die Beziehungen zu unseren Nachbarn wachsen müssen. Es ist mir dabei ein wirkliches Herzensanliegen, das tiefe und innige Verhältnis, das Deutschland zu seinen westlichen Nachbarn hat, auch auf Polen zu übertragen.
Dabei müssen wir alles unternehmen, was dieses Ziel unterstützt. Alles, was diesem Ziel entgegensteht, müssen wir unterlassen. Die Vertriebenengedenkstätte soll zu Partnerschaft und Versöhnung beitragen. Persönliche Interessen müssen zurückstehen. Für diesen Kurs werde ich weiter werben.
Nochmals vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ihnen persönlich alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Guido Westerwelle, MdB
Bundesvorsitzender der FDP