Frage an Guido Westerwelle von René V. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Vergangenheit las ich Berichte über Kinder, die in der Bundesrepublik Deutschland Opfer von Gewalttaten kirchlicher Angehöriger wurden. Hierbei kam es z.B. zum Missbrauch durch Priester oder sexuellen gewalttätigen Übergriffen in kirchlichen Heimen. Höchst erschreckend für mich war insbesondere, dass es sich hierbei um tausende Opfer handeln solle.
In einem Internetartikel aus dem Jahr 2008 wurde dann auf die Einrichtung eines Runden Tisches hingewiesen.
Warum dauerte es zwei Jahre, um diesen Runden Tisch einzurichten? Warum nennt man diesen Zeitraum die Zeit der “schwarzen Pädagogik”.
Wenn hier Verbrechen stattgefunden haben, warum wird das Wort “Verbrechen“ fast nie genannt?
Warum spielt diese Zeit bei der Aufarbeitung des 60. Jahrestages der Bundesrepublik Deutschland gar keine Rolle?
Hinweis, diese Anfrage richte ich an jede im Bundestag vertretene Fraktion.
Für ihre Antwort bedanke ich mich im voraus.
Sehr geehrter Herr Vogt,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 26. Mai 2009 an Herrn Dr. Guido Westerwelle. Der Vorsitzende hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Zur Beantwortung Ihrer Fragen übersenden wir Ihnen gern die Ausführungen des zuständigen Petitionsausschusses zur Arbeit des runden Tisches. Wir hoffen, Ihnen damit geholfen zu haben.
Ihnen persönlich alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Biesel
Leiter des Büros
des Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion
Ihre Fragen zur Aufarbeitung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Erziehungsheimen der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975 möchten wir gerne beantworten. Die Medien berichteten des Öfteren von der Arbeit des inzwischen eingerichteten Runden Tisches, an dem Vertreter der Betroffenen - organisiert im Verein ehemaliger Heimkinder -, Vertreter des Bundestages und der Bundesregierung, der Länder und Kommunen, der Wirtschaft und der Wissenschaft teilnehmen. Auch die häufig konfessionellen Trägervereine der Erziehungsheime arbeiten mit. Dazu kommen Vertreter von Jugendhilfeorganisationen.
Anlass zur Einrichtung des Runden Tisches war eine an den Deutschen Bundestag gerichtete Petition, mit der die Heimerziehung in konfessionellen und öffentlichen Einrichtungen scharf kritisiert wurde. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat in einer öffentlichen Sitzung am 26. November 2008 die Petition beraten und die Einsetzung des Runden Tisches angeregt. Einstimmig erklärte der Ausschuss, er "sieht und erkennt erlittenes Unrecht und Leid, das Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Kinder- und Erziehungsheimen in der alten Bundesrepublik in der Zeit zwischen 1945 und 1970 widerfahren ist und bedauert das zutiefst".
Unter Leitung der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer ist der Runde Tisch am 17. Februar 2009 zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten. Bis Ende 2010 soll der Runde Tisch einen Abschlussbericht vorlegen.
Die Dauer des Petitionsverfahrens liegt in der besonders gelagerten Problematik, die mehrere gesellschaftliche und staatliche Ebenen berührt. Keine Petition hat den Ausschuss in den letzten Jahren so intensiv beschäftigt wie diese. Er hat nach Eingang der Petition zunächst Stellungnahmen der zuständigen Ministerien eingeholt und ausgewertet. Anschließend hat er in mehreren Anhörungen Betroffene, Vertreter der Heimträger und obersten Jugendämter sowie Sachverständige zu Wort kommen lassen. Dabei stellte sich heraus, dass die Aufarbeitung des von den Heimkindern erfahrenen Unrechts den Rahmen eines Petitionsverfahrens sprengt. Um zu einer sachgerechten Lösung zu kommen, hat deshalb noch eine Reihe von Gesprächen zur Vorbereitung der Einrichtung des Runden Tisches stattgefunden.
Unter dem Begriff der Schwarzen Pädagogik werden Erziehungsmethoden verstanden, die Gewalt und Einschüchterung als Mittel enthalten. Der Runde Tisch wird dies und auch die Frage nach von den Heimträgern zu verantwortenden Verbrechen als Verstöße gegen die Rechtsordnung zu behandeln haben. Auch wenn das von den Heimkindern erfahrene Unrecht bei den offiziellen Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland keine Erwähnung gefunden hat, gehört doch die nunmehr in die Wege geleitete Aufarbeitung gerade zu den Merkmalen der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Mit der Einrichtung des Runden Tisches und den Lösungswegen, die der Runde Tisch vorschlagen wird, stellen sich Parlament, Regierung und auch die historisch direkt Verantwortlichen der Verantwortung, die ihnen früheres Unrecht auferlegt.
Wir hoffen, Ihnen hiermit Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben.