Was halten Sie davon, dass Länder einzelne Teile der Gesetzgebung vorsätzlich nicht umsetzen? Wollen Sie in Deutschland Maßnahmen einführen die Gesetzesumsetzungen sicherstellen, bspw durch Beugehaft?
Am 10. Dezember des vergangenen Jahres wurde mit einer Änderung des Infektionschutzgesetzes die Impfpflicht für einige Berufsgruppen beschlossen. Zum 15. März sollte diese greifen. Doch haben einige Bundesländer mitgeteilt diese Pflicht vorerst nicht umzusetzen. Allen voran Bayern unter Ministerpräsident Söder.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Herr Söder weigert geltende Gesetze umzusetzen. 2019 musste sich der EuGH damit beschäftigen, ob ein Minister in Deutschland persönlich in Regress oder sogar Beugehaft genommen werden kann, um ihn zum Einhalten von rechtskräftigen Urteilen zu zwingen. Mangels gesetzlicher Regelungen war das nicht der Fall, wenn auch der EuGH diese Möglichkeit den Staaten grundsätzlich eröffnet sah. In Deutschland mangelt es an einer entsprechenden Regelung und Herr Söder und seine Kolleg:innen können sich derzeit sicher sein, im Falle der Verweigerung der Umsetzung von Gesetzen oder Gerichtsurteilen keine Konsequenzen befürchten zu müssen.
Sehr geehrter Herr V.,
vielen Dank für Ihre Frage hinsichtlich der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitssektor, zu welcher ich im Folgenden gerne Stellung nehme.
Die CDU/CSU-Fraktion befürwortet entschieden den Schutz vulnerabler Gruppen durch Impfungen und hat der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Deutschen Bundestag daher im Dezember vergangenen Jahres zugestimmt. Selbstverständlich sind wir aber davon ausgegangen, dass die Bundesregierung unverzüglich nach der Verabschiedung des Gesetzes auch die erforderlichen Schritte einleiten würde, um die tatsächliche Umsetzung der Vorschriften zu ermöglichen. Dies umfasst einerseits die Klärung zahlreicher arbeits- und sozialrechtlicher Fragestellungen, andererseits die Koordination und Vorbereitungen mit den betroffenen Ländern, Kommunen und Gesundheitsämtern, welchen die Umsetzung vor Ort obliegt. Bedauerlicherweise wurde seitdem seitens der Bundesregierung insoweit viel zu wenig unternommen, was nicht zuletzt die zahlreichen Schreiben von Einrichtungsbetreibern, Sozialdiensten und zu pflegenden Bürgerinnen und Bürgern selbst belegen.
Auch die mittlerweile vom Bundesministerium für Gesundheit zusammengestellte Handreichung zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten lässt viele zentrale Fragen offen: Beispielsweise bleibt unklar, wie sichergestellt werden soll, dass die teilweise ohnehin schon überlasteten Gesundheitsämter personell ab Mitte März überhaupt in der Lage sind, in großen Zahlen Ungeimpfte zu erfassen und zu kontaktieren. Offen ist auch, wie groß der Ermessensspielraum sein soll, den die Gesundheitsämter in der Beurteilung von Einzelfragen haben und wie ein Mindestmaß an bundesweit einheitlichem Vorgehen sichergestellt wird. In diesem Kontext ist eine weitere wichtige Frage, was für Beschäftigte gilt, die in medizinischen Einrichtungen unverzichtbar, aber zugleich ungeimpft sind. Welche Leitlinien sollen für die Risikoabwägung vor Ort gelten, wenn der Einsatz ungeimpfter Mitarbeiter das einzige Mittel ist, um einen akuten Versorgungsengpass abzuwenden und wer würde eine solche Entscheidung ggf. verantworten?
Zweifellos wäre ein Scheitern der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mit einem großen Vertrauensschaden verbunden, weshalb die Bundesregierung dringend aufgefordert ist, zügig das Gespräch mit den Stellen zu suchen, die die gesetzlichen Vorgaben umsetzen müssen.
Bezüglich Ihrer zweiten Frage: Die Länder sind zum Vollzug von Bundesgesetzen verpflichtet. Auch sieht unsere Verfassung ausreichende Instrumentarien zur Wahrung der bundesstaatlichen Ordnung, z.B. den sog. Bundeszwang und korrelierende Weisungsrechte, vor. Wenn der Bund aber von seiner Befugnis zum Erlass von (hinreichenden) Verwaltungsvorschriften keinen Gebrauch macht, können die Länder ihrerseits entsprechende Vollzugsvorschriften erlassen, was insbesondere bei einem komplexen Sachverhalt wie der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Entsprechende Verzögerungen bei der Umsetzung wären daher der Bundesregierung zuzurechnen. Auch trifft die Länder bei fehlenden Verwaltungsvorschriften des Bundes keine Pflicht, den einheitlichen Vollzug von Bundesgesetzen sicherzustellen.
Für weitere Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günter Krings