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Gregor Gysi
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Frage von Jörn W. •

Sehr geehrter Herr Gysi, warum bedenken sie in ihrem nachvollziehbaren Wunsch nach Waffenruhe nicht, dass Putin diese Zeit nutzen will um sich militärisch auf den nächsten Schlag vorzubereiten?

Ich schätze ihre ausgewogene, gerechte Art sehr, da sie sich als einer der wenigen Waffenlieferungsgegner um einen schnellstmöglichen Waffenstillstand bemühen, ohne der Ukraine ihr Territorium abzusprechen.
Putin hat schon mit der Annektion der Krim mehrere bindende Verträge gebrochen, sei es die Alma Ata Deklaration von 1991 als auch zuletzt den mit Leonid Kutschma 2003 unterzeichneten Russisch-ukrainischen Grenzvertrag. Er hat offen gesagt, dass er Russland in den Grenzen des Kaiserreiches wiederherstellen will. Selbst wenn der Donbass autonom wäre, die Doppelstaatsbürgerschaft eine Option wäre...sie wissen, dass Russland in dem Moment wo die Ukraine eine europäische Annäherung eingehen würde, intervenieren und freie Wahlen verhindern würde. Wie wollen sie Putin daran hindern, jemals wieder einen Ex-Sowjetstaat anzugreifen? Wie wollen sie einen Mann in seine Schranken weisen, der Verträge beliebig bricht und sich mit Gewalt Territorium aneignet? Herzliche Grüße, Jörn W.

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Sehr geehrter Herr W.,

Ihre Frage vom 23. Oktober hat mich erreicht.

Sie haben Recht, dass Putin das Völkerrecht mehrfach verletzt hat. Leider hat der Westen mit seinem Krieg gegen Serbien und der Verletzung des Völkerrechts begonnen. Die Abtrennung des Kosovo widerspricht einem noch gültigen Beschluss des Sicherheitsrates der UNO. Der Krieg der USA gegen den Irak war ebenfalls völkerrechtswidrig. Ich habe damals darauf hingewiesen, dass das Schule machen wird. Das hat aber niemand geglaubt. So ist es aber gekommen.

Die russische Seite verweist darauf, dass im Abkommen von Minsk II steht, dass das Donbas-Gebiet innerhalb der Ukraine autonom wird und dass dort Regionalwahlen unter Aufsicht der OSZE stattfinden. Das war ein Vorschlag des damaligen deutschen Außenministers Steinmeier. Die Ukraine hat es unterschrieben, aber nie realisiert. Deshalb fordere ich immer, dass alle Seiten zum Völkerrecht zurückkehren müssen.

Natürlich haben Sie Recht, dass Putin die Zeit eines Waffenstillstandes nutzen könnte, um aufzurüsten, um dann einen weiteren Schlag durchzuführen. Deshalb sollte die NATO auch nur erklären, dass sie vorrübergehend die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellt. Wenn Russland anschließend aufrüstet, findet auch wieder eine Bewaffnung der Ukraine statt. Bei einem Friedensvertrag müsste dann vereinbart werden, dass die NATO für die Sicherheit der Ukraine garantiert, auch dann, wenn die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist. Wenn Russland das unterschreibt, bedeutete es, dass ein weiterer Schlag gegen die Ukraine sich damit direkt gegen die NATO richtet und mithin den dritten Weltkrieg auslöste. Den kann sich auch Putin nicht leisten. Deshalb ist ja Finnland Mitglied der NATO geworden und Schweden wird es in Kürze ebenfalls vollziehen.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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