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Frage von Harald B. •

Frage an Gregor Gysi von Harald B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

Ich gebe zu, dass das Folgende theoretischer Natur ist und keinen praktischen Nutzen hat, aber mich interessiert trotzdem, wie Sie darüber denken.

Glauben Sie, dass es tatsächlich möglich ist, eine demokratische u. gerechte Ges.ordn. als „Bewegung von unten“ über die Mehrheitsgewinnung durch Wahlen in die Tat umzusetzen?

"Sozialismus" setzt doch voraus, dass der Mensch bereit ist, persönliche Interessen zugunsten gesellschaftlicher Interessen zurückzustellen (wenn diese Interessen nicht übereinstimmen ). Aber funktioniert das?
Sie müssen zugeben, dass der Mensch egoistisch veranlagt ist. Diese Eigenschaft hat in der Evolution offenbar eine bedeutende Rolle gespielt. Warum wäre sie sonst so dominant im menschlichen Wesen vorhanden? Vielleicht hätten wir als Art die Evolution ohne den Hang zum Eigennutz gar nicht überlebt?

Das muss auch den Strategen des „real existierenden Sozialismus“ bewusst gewesen sein. Weshalb war in der DDR sonst immer von der Schaffung der „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“ die Rede? Ein neuer Mensch, der zur angestrebten Ges.ordn. passt, musste her. Aber auch nach 40 Jahren DDR gab´s den nicht und selbst in der SED waren genügend Mitglieder, die nur zur Erlangung persönlicher Vorteile ( z. B. Studienplatz; berufliche Karriere ) beigetreten sind. Die sind am Ende ja auch ganz schnell wieder ausgetreten und man hat den schönen Begriff des Wendehalses dafür bemüht ( „Die über Nacht sich umgestellt, die sich zu jedem Staat bekennen - das sind die Praktiker der Welt, man könnte sie auch Lumpen nennen.“ - Heinrich Heine, soweit ich weiß).

Die Einsicht, dass es auch anders gehen müsste, wird immer auf eine Minderheit beschränkt bleiben, oder? Bedarf es somit, um eine sozialistische oder sagen wir gerechte Ges.ordn. zu erlangen, nicht zwangsläufig der Durchsetzung derselben „von oben“ und muss diese Gesellschaft damit nicht letzlich immer diktatorische Züge tragen?

Mit freundlichen Grüßen
Harald Blumeier

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Sehr geehrter Herr Blumeier,

Ihre Nachricht vom 14.8. hat mich erreicht. Wenn sich der Mensch nur als Individuum und nicht als gesellschaftliches Wesen begreift, schafft er die Voraussetzungen für seinen eigenen Untergang. Das merken wir inzwischen bei ökologischen und anderen Fragen.

Deshalb glaube ich daran, dass die Vernunft im Menschen stärker ist, dass deshalb eine Mehrheit eine gerechtere Gesellschaftsordnung anstreben wird.

Wenn es einen Sozialismus nur diktatorisch geben könnte, wäre ich sein Gegner.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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