Frage an Gregor Gysi von Alfons W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gysi,
mir geht es um das Thema Flüchtlinge. Ich verstehe die Position Ihrer Partei nicht. Es werden alle als rechtes Pak abgetan, die nicht das Denken der Eliten befürworten. Es steht für mich außer Frage, unschuldig Verfolgten Schutz
zu gewähren (ich würde mich wahrscheinlich auch so verhalten). Frage warum auf einmal bei Syrern und Afghanen und nicht früher bei Somaliern usw.? Wenn ich das Asylrecht richtig verstehe gilt es für politisch Verfolgte und nicht für Bürgerkriegsflüchtlinge. www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/Asylrecht/asylrecht-node.html .
Wäre es nicht sinnvoll einmal in das normale "Volk" rein zuhören. Was sollen Hartz und Minirentenempfänger fühlen und denken wenn auf einmal Geld in Hülle und Fülle für die "Willkommen Kultur" vorhanden ist. Es wird noch widersinnigiger wenn man bedenkt, das Eltern Schulklassen renovieren, Erzieher-innen und Sozialarbeiter unterbezahlt werden, Politik darüber nachdenkt zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben private Finanzhaie einzuladen usw.
Warum sollen die Flüchtlinge integriert werden? Heißt das im Umkehrschluß, das eine Befriedung in Syrien nicht möglich ist oder soll ein Wiederaufbau verhindert werden, in dem die "gut Ausgebildeten" bei uns integriert sind und beim Wiederaufbau fehlen? Die jetzige Politik wird, meiner Meinung nach Deutschland stärker verändern wie die Agenda 2010.
Zu mir, seit Gründung der "Linke" habe ich jede Wahl für die Partei gestimmt ( selbst bei den Kommunalwahlen in
Westfalen) was weiter wird?
MfG
A.Westhues
PS
Warum werden die Verursacher ( USA,Großbritannien,Arabien)nicht zur Kasse gebeten? Wenn die Kanzlerin sagt das würde nicht zu Steuererhöhungen führen, frage ich mich wo die schwarzen Kassen sind um das zu bezahlen wenn die Wirtschaft schwächer wird.
Das Sie sich aus der Fraktionsspitze zurückziehen bedaure ich, verstehe aber auch Ihre Begründung.
Sehr geehrter Herr Westhues,
Ihr Schreiben vom 16. Oktober 2015 hat mich erreicht.
Sie haben recht, dass Asyl nur politisch Verfolgten gewährt wird. Andere Menschen haben aber ein Aufenthaltsrecht, sind geduldet, weil sie zum Beispiel während eines Bürgerkrieges in ihr Land nicht zurückgeführt werden können. Wieder andere werden als Fachleute angeworben, übrigens mit einem relativ hohen Gehalt und nicht selten zum Nachteil der sogenannten Dritten Welt, denen dann die Fachleute fehlen.
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass Ärmere in unserer Gesellschaft eine ablehnende Haltung gegen Flüchtlinge einnehmen, weil sie befürchten, dass es ihnen dann noch schlechter geht. Allerdings steckt dahinter eine Illusion. Ich kenne den Bundestag, mehr vorhandenes Geld wird nicht auf die Armen verteilt, nur weil es weniger sind. Leider gibt es auch viel zu wenig öffentliche Investitionen, weil die Bundesregierung so extrem an der schwarzen Null hängt. Es handelt sich aber um Zukunftsinvestitionen und damit fehlt uns Zukunft.
Dass wir die Würde eines jeden Menschen, der zu uns kommt, zu wahren haben, scheint mir selbstverständlich. Das verlangt auch das Grundgesetz. Andererseits muss man Flüchtlingen sagen, dass sie die Regeln eines Landes, in das sie fliehen, einzuhalten haben. Dazu gehört das Grundgesetz, und damit die Gleichstellung der Geschlechter und die hohe Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerbeziehungen.
Es kann relativ lange dauern, bis die Verhältnisse wieder so sind, dass Syrer zum Beispiel nach Syrien zurückkehren können. Immerhin scheinen jetzt Regierungen begriffen zu haben, dass sie entweder beginnen müssen die Weltprobleme zu lösen oder die Weltprobleme jeden Tag verschärfter zu uns kommen, bis die Situation unbeherrschbar wird. Also gilt es die Kriege zu überwinden, wobei Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur ist, also an jedem Krieg mitverdient. Darüber hinaus gilt es den Hungertod zu überwinden, die häufigste Todesursache der Menschheit, obwohl weltweit eine Landwirtschaft existiert, die die Menschheit zweimal ernähren könnte. Wir müssen auch Not und Elend überwinden und zur Kenntnis nehmen, dass man früher in Afrika nicht wusste, wie wir in Europa leben. Durch die technische Revolution - Digitalisierung des Lebens - wissen nun auch die Menschen in Afrika wie wir in Europa leben. Das löst dort Fragen aus. Also müssen wir eine wirkliche und umfassendere Entwicklungshilfe leisten. Die Schere zwischen arm und reich muss nicht nur in Deutschland sondern auch weltweit abnehmen.
In Deutschland selbst müssen die Kommunen nicht teilweise, sondern vollständig vom Bund entlastet werden.
Die meisten Menschen wollen nicht fliehen, es sind immer die Bedingungen, die sie dazu zwingen. Ich hoffe, dass wir jetzt ernsthaft angehen, diese Weltprobleme so zu lindern, dass die Fluchtursachen wirksam bekämpft werden.
Übrigens kann mit einem Mehrheitsbeschluss in der EU dafür gesorgt werden, dass die Kosten gerecht verteilt werden, und wenn Länder dann ihren Anteil nicht bezahlen, kann ihnen dieses Geld bei den Zuschüssen abgezogen werden. Da müssten wir deutlich härter auftreten. Und Sie haben auch dahingehend recht, dass es nicht so weitergeht, dass bestimmte Länder andere Staaten zerstören und wir den Wiederaufbau zu bezahlen haben. So ist es regelmäßig im Verhältnis zwischen Israel und dem Gaza-Streifen, aber auch hinsichtlich der Kriege, die von den USA und anderen geführt werden. Das Verursacherprinzip sollte hier schon durchgesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi