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Gregor Gysi
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Frage von Guntram S. •

Frage an Gregor Gysi von Guntram S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Her Gysi,

seit wohl einer geraumen Zeit machen Meldungen die Runde, Sie und andere Bundestagsabgeordneten der LINKEN würden vom Verfassungsschutz beobachtet. Darüber beschweren Sie sich.

Ist es nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes, Personen zu beobachten, bei denen die Vermutung aufgrund ihrer geäußerten politischen Meinung naheliegt, sie wollten einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen, der die Verfassung der Bundesrepublik in ihrem ursprünglichen Sinn auf den Kopf stellt (z.B. ideologische Meinungen wie Sozialismus, Feminismus, Rassismus, die aufgrund der Natur des Menschen nur mit Zwang durchsetzbar sind)?

Ist es nicht vielmehr ungerecht, dass nicht auch andere Abgeordnete mit extremistischer Vergangenheit, z.B. der Ein oder Andere ehemalige 68er (sozialistische Einstellung), von dieser Behörde stärker beobachtet werden?

Wäre es nicht eine Aushebelung des Verfassungsschutzes, wenn Abgeordnete des Bundestags diesem vorschreiben, wer kontrolliert werden darf, und wer nicht? Mal angenommen, die NPD würde in den Bundestag gewählt, wären Sie nicht dann dafür, dass diese Leute trotz ihres Mandates von einer unabhängigen Instanz beobachtet werden?

Ist das Bundesverfassungsgericht, deren Mitglieder NICHT vom Volk gewählt werden, sondern von den Parteien des Bundestags bestimmt werden, wirklich eine von der Politik unabhängige Instanz?

Weckt nicht die Nähe des Verfassungsgerichts zur Politik den Anschein (wie die Nähe mancher Politiker zu Wirtschaftsleuten) der bereits erfolgten KORRUPTION des Rechtswesens in Deutschland?

Zeigen nicht immer wieder Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen familienrechtliche Urteile der Bundesrepublik, dass die Deutsche Verfassung in diesem Rechtsbereich möglicherweise längst ausser Kraft gesetzt wurde, und zwar durch Deutsche Juristen?

Zeigen nicht Verfahren wie der "Fall Kachelmann", dass Recht und Moral längst von mächtigen Medien wie "BILD" nach Belieben definiert werden?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Seiss,

Ihre Nachricht vom 14. Februar 2012 hat mich erreicht.

Keinesfalls streben DIE LINKEN im Deutschen Bundestag einen verfassungswidrigen Zustand an. Insofern ist Ihre Beobachtung falsch und selbst verfassungswidrig. Der demokratische Sozialismus steht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz. Ein autoritärer kommt für uns nicht in Frage. Im Parteiprogramm der SPD steht übrigens ebenfalls, dass man den demokratischen Sozialismus anstrebt. Nach Ihrer Auffassung müsste also auch die gesamte SPD beobachtet werden. Ich halte dies für absurd. Eine Gleichstellung der Geschlechter steht ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz. Das Grundgesetz schreibt keine bestimmte Wirtschaftsordnung vor.

Andererseits stimme ich Ihnen unbedingt zu, wenn Sie die Nähe der Politik zur Wirtschaft rügen. Wahr ist auch, dass die Karriere von Richterinnen und Richtern weitgehend von der Politik bestimmt wird, was sich ändern muss. Dadurch ist die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter nur begrenzt gegeben. Wie Sie halte auch ich es für wichtig, dass es einen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gibt, der gelegentlich auch das Bundesverfassungsgericht korrigiert.

Letztlich werfen Sie ein anderes spannendes Thema auf, die Frage nach der Macht der Medien, insbesondere solcher Zeitungen wie der "BILD". Auch hier müssen politische Veränderungen herbeigeführt werden.

Noch einmal zum Inlandsgeheimdienst. Der Bundestag soll nicht vorschreiben, um wen sie sich kümmern oder um wen nicht. Für Bundestagsabgeordnete müsste es aber eine klare Regelung geben, ähnlich der Immunität. Es muss auch ein Gremium des Bundestages geben, das diesbezüglich zumindest zu informieren ist, wenn nicht sogar eine Genehmigung erteilt werden müsste.

Bürgerinnen und Bürger suchen mich in der Sprechstunde auf. Ich habe eine Schweigepflicht und ein Zeugnisverweigerungsrecht wie ein Rechtsanwalt. Diese fragen mich jetzt, ob sie noch davon ausgehen können, dass nur ich das erfahre, was sie mir erzählen. Sie wollen wissen, ob es auch der Verfassungsschutz erfährt. Was soll ich ihnen antworten? Selbst Mandanten in meiner Rechtsanwaltssprechstunde haben mich dies schon gefragt. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist eine politische Entscheidung. Man will verhindern, dass mehr Menschen uns wählen. Außerdem will man verhindern, dass zum Beispiel in Bayern eine Lehrerin oder ein Polizist Mitglied unserer Partei werden. Damit verändert man die Zusammensetzung unserer Partei und reduziert unsere Beiträge. Durch reduzierte Beiträge erhalten wir auch weniger staatliche Zuschüsse. All das verletzt die Chancengleichheit der Parteien. Diese ist aber im Grundgesetz festgeschrieben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gregor Gysi

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