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Gregor Gysi
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Frage von Marco R. •

Frage an Gregor Gysi von Marco R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

regelmäßig verfolge ich Ihre Debattenbeiträge im deutschen Bundestag.
Nachdem ich heute einen Sozialpolitischen Debattenbeitrag Ihrerseits vom 09.03.2007 gesehen habe, stellt sich mir die Frage, wie Ihre Einstellung zur repräsentativen Demokratie aussieht. Ich habe den Eindruck, dass Sie für mehr Volksabstimmungen sind. Hierzu habe ich einige Fragen:

1. Halten Sie die Vertretung des Volkes durch Abgeordnete für sinnvoll?

2. Sie erklärten, dass die gewählten Volksvertreter zu oft gegen die Interessen Ihrer Wähler entscheiden würden. Wäre es dann nicht konsequent, alles über Volksabstimmungen laufen zu lassen?

3. Wie wollen Sie einen Interessenausgleich herstellen, wenn vieles über Volksabstimmungen geregelt wird und eine Interessengruppe überstark vertreten ist? Wie würde z.Bsp. eine Volksabstimmung im Jahre 2030 zum Thema "Kürzung bei den Renten oder bei der Kinderbetreuung" bei der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung vermutlich ausfallen?

4. Angenommen, man findet einen Kompromiss zwischen repräsentativer Demokratie und einer gewissen Zahl von Volksabstimmungen - bei welchen Themen oder in welchem Umfang soll das Volk beteiligt werden?

5. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Berliner Rot-Roten Senats im Bezug auf die letzten Volksabstimmungen in Berlin?

Was würde die Linke in Bezug auf diese Fragen mit absoluter Mehrheit im Bundestag ab 2013 veranlassen?

Beste Grüße,
M. Rau

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Sehr geehrter Herr Rau,

Ihre Nachricht vom 26.8.2010 hat mich erreicht. Ich denke, dass wir tatsächlich eine Mischung aus einer repräsentativen Demokratie mit mehr Elementen der unmittelbaren Demokratie benötigen. Für Volksentscheide müssen bestimmte Regelungen gefunden werden, um sie nicht zu häufig, aber auch nicht zu selten stattfinden zu lassen. Je mehr Verantwortung an die Bevölkerung übertragen wird, desto verantwortlicher verhält sie sich auch.

Meines Erachtens müsste geregelt werden, dass Volksentscheide niemals in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfen. Damit könnte man z.B. einen Volksentscheid zur Todesstrafe ausschließen. Ebenso müsste geregelt werden, dass Volksentscheide nur begrenzt in die Haushaltshoheit eines Parlaments eingreifen dürfen, weil sonst vieles unbezahlbar werden könnte.

Bisher hat der Senat in Berlin die Ergebnisse der Volksentscheide immer akzeptiert. Es ist sogar erstaunlich, wie oft Volksentscheide in Berlin stattfinden und mit welchem Ergebnis.

Auf jeden Fall muss die Linke eines lernen: das Ergebnis eines Volksentscheids hat man auch dann zu akzeptieren, wenn es einem nicht gefällt. Elemente der unmittelbaren Demokratie begrenzen die repräsentative Demokratie, und genau dies muss verbindlich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gregor Gysi

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