Frage an Gisela Manderla von Claudia T. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Manderla
wie stehen Sie zu folgenden Argumenten rund um die Autbahnprivatisierung?
1. In Grundgesetz Art 90 soll künftig stehen: „Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen.“ Die Umwidmung zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen installiert das Prinzip ‚Gewinnmaximierung vor Gemeinnutzen‘.
2. Durch die Privatisierung entstehen der Allgemeinheit erhebliche Kosten. Diese resultieren vor allem aus hohen Zinsen für private Kredite und aus den geheimen ÖPP-Verträgen (ÖPP = öffentlich-private Partnerschaften), in denen Banken und Versicherungen über 30 Jahre eine hohe Rendite garantiert wird.
3. Die neue Autobahn-GmbH wäre der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Sie könnte dann nach eigenem Gutdünken beispielsweise ÖPP als Standardmodell einsetzen. ÖPPs sind erwiesenermaßen teuer, intransparent und können nicht demokratisch gesteuert und kontrolliert werden.
4. Die Autobahn-GmbH darf künftig private – und damit sehr teure – Kredite aufnehmen. Diese Schulden bilden einen Schattenhaushalt. Damit sind die Schulden aber nicht weg. Sie müssen samt Zinsen zurückgezahlt werden – über Steuern, Maut und Leistungskürzungen.
5. Mit der Privatisierung wird die Daseinsvorsorge abgebaut und in die Hände von Privaten getrieben. Besonders betroffen sind die Beschäftigten in den Straßenbauverwaltungen und Straßenmeistereien. Tarifgebundene Stellen fallen weg, und den Ländern und Kommunen geht das Wissen über Bau und Erhalt von Autobahnen dauerhaft verloren.
6. Private Investoren wollen schnell viel Geld verdienen, das geht am besten mit dem Autobahnneubau. Es ist absehbar, dass daran großes Interesse bestehen wird. Die Autobahn-GmbH darf jenseits der Schuldenbremse Kredite aufnehmen, ökologische Verkehrsträger müssen die Schuldenbremse einhalten. Dem Verkehrssektor droht daher eine gravierende Strukturveränderung zu Lasten ökologischer Verkehrswende.
Vielen Dank für eine Stellungnahme
Sehr geehrte Frau Thaler,
vielen Dank für Ihre Anfrage und die damit verbundenen Anmerkungen bezüglich einer vermeintlichen Privatisierung der Autobahnen in Deutschland.
Bei diesem Thema handelt es sich um einen Baustein der umfassenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die wir gestern im Bundestag beschlossen haben. Richtig ist, dass in diesem Zusammenhang die Gründung einer bundeseigenen Infrastrukturgesellschaft Verkehr vorgesehen ist. Falsch ist, dass es sich hierbei um eine Initiative zur Autobahnprivatisierung handelt. Eine solche war nie Ziel der Reform und wird es auch in Zukunft nicht sein. Tatsächlich wird mit den nun beschlossenen Änderungen des Grundgesetzes eine Privatisierung deutscher Autobahnen verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Erklärtes Ziel der Reform ist ein völlig anderes.
Eine Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern noch in dieser Legislaturperiode war zwingend notwendig, um für die Zeit nach dem Auslaufen des Solidarpakts II 2019 rechtzeitig ein rechtssicheres Finanzausgleichssystem auf den Weg zu bringen. Die Verhandlungen der dafür notwendigen Grundgesetzänderungen beliefen sich insgesamt mehr als zweieinhalb Jahre. Wäre es nicht gelungen eine Einigung zu erzielen, hätte dieses Großprojekt unter großem Zeitdruck zu Beginn der 19. Legislaturperiode komplett neu verhandelt werden müssen – ohne Garantie einer rechtzeitigen Neuregelung vor Ablauf der Frist.
Ausschlaggebend für die Einführung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr in diesem Gesamtkomplex ist das ewige Stauproblem auf deutschen Autobahnen, unter dem die Menschen in NRW und insbesondere auch in Köln täglich leiden. Da es in den vergangenen Jahren zu enormen Sanierungs- und Investitionsstaus in der Straßeninfrastruktur einiger Bundesländer – vor allem in NRW – gekommen ist, haben wir uns dazu entschlossen, die Auftragsverwaltung in diesem Bereich zu reformieren. Mit der Gründung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr als Gesellschaft privaten Rechts (GmbH) werden Bundesautobahnen zukünftig unmittelbarer und uneingeschränkter Bundesverwaltung unterstellt. Der Bund wird so in die Lage versetzt, die Länder bei der Erfüllung ihrer Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge im Bereich Verkehr zu unterstützen. Dies ermöglicht kontinuierliche Investitionen in das gesamte Straßennetz Deutschlands, eine schnellere Realisierung von Straßenbaumaßnahmen und einen effizienteren Einsatz der Haushaltsmittel.
Dabei wird in dem neu gefassten Artikel 90 des Grundgesetzes eindeutig geregelt, dass der der Bund hundertprozentiger Eigentümer der Bundesautobahnen und -straßen, sowie der Infrastrukturgesellschaft ist und dieses Eigentum (oder Teile davon) nicht veräußern kann. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir darüber hinaus zusätzliche Privatisierungsschranken im Grundgesetz verankert, die da lauten:
- Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen. (Art. 90, Abs. 2, Satz 4)
- Eine Beteiligung privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen. (Art. 90, Abs. 2, Satz 5)
Die parlamentarische Kontrolle der neuen Infrastrukturgesellschaft, die künftig für Planung, Bau und Instandhaltung der Autobahnen zuständig sein wird, ist zudem hinreichend gesichert. Der Bundestag ist verpflichtet, dem Gesellschaftsvertrag der GmbH, sowie dem fünfjährigen Finanz- und Realisierungsplan zuzustimmen. Darüber hinaus sind im Aufsichtsrat der Gesellschaft Mitglieder des Haushalts- und des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages vertreten. Die Gesellschaft ist zudem nicht berechtigt Kredite am Markt aufzunehmen. Um die Bundesgesellschaft auch regional zu verankern besteht die Möglichkeit, bis zu zehn Tochtergesellschaften zu gründen, sodass die Arbeitsplätze der Beschäftigten in Straßenbauverwaltungen und Straßenmeistereinen vor Ort weitgehend gesichert sind.
Ich bin davon überzeugt, dass die auf den Weg gebrachten Reformen einen wichtigen und richtigen Beitrag dazu leisten werden, die Stauproblematik endlich in den Griff zu bekommen und ein qualitativ hochwertiges Fernstraßennetz in ganz Deutschland sicherzustellen. Schließlich ist ein funktionierendes und gut ausgebautes Verkehrsnetz Grundbedingung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Exportnation und damit Grundlage unseres Wohlstandes.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Manderla