Frage an Gisela Manderla von Britta N. bezüglich Soziale Sicherung
Mit den aktuellen Plänen einer „Rechtsvereinfachung“ sollen die Hartz-IV-Leistungen zum 60. Mal verändert und verschärft werden. Die vom Verfassungsgericht angemahnten Nachbesserungen (Energiekosten, Elektrogeräte, Regelbedarfe, Brillen) blieben außen vor, auch die angekündigte Entschärfung der Sanktionen scheiterte. Stattdessen erfolgen richtungslose Schlechter- und Besserstellungen mit wenig durchdachten Änderungen wie z.B.
• Statt der Entschärfung bedrohender Sanktionen soll nun auch bestraft werden, wenn Hilfebedürftigkeit nicht verringert wird - eine weitere Sonderstrafe, die es in anderen Sozialleistungen nicht gibt. Fiktive „Was-wäre-wenn-Verläufe" führen in neue Rechtsunsicherheit.
• Wohnkosten sind schon jetzt der strittigste Bereich. Nun sind weitere Hürden mit einer tückischen Obergrenze für die Heizkosten vorgesehen, die zu einer „Rechtsverkomplizierung“ führen.
• Der Ausschluss von Azubis, Schülern und Studenten wurde großteils zurückgenommen - prima. Doch Studierende an Hochschulen in eigener Wohnung bleiben auf dem Weg „ganz nach oben“ ausgeschlossen. Zusätzlich wird für sie die Hilfe bei Mietschulden beseitigt.
• Hilfe in den vielen Notlagen wird für die Nothelfer unnötig erschwert. Überbrückungsdarlehen können nicht mehr abgetreten werden, weil mit der Pfändbarkeit auch die Abtretbarkeit von Alg-II-Leistungen beseitigt wurde.
Eine weitergehende kritische Gesamtkommentierung gibt es in der Bundestagsausschussdrucksache 18(11)484.
Hartz-IV-Bezieher wurden in der Vergangenheit vielfach abgestraft. Dieses Vorhaben verschärft den Rechtsruck von Menschen, die befürchten, mit der Flüchtlingswelle weiter an den Rand gedrückt zu werden. Gefragt ist eine hohe soziale Sensibilität der Politik.
In wie weit teilen Sie diese Bedenken? Was können Sie ggf. tun, um neue Schlechterstellungen oder Verschärfungen für die Betroffenen zu verhindern?
Sehr geehrte Frau Neufeldt,
vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie verschiedene Bedenken hinsichtlich der Änderung im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) äußern. Bei der vom Bundeskabinett beschlossenen neunten Gesetzesänderung handelt es sich um eine Vereinbarung, die klar im Koalitionsvertrag verankert wurde. Ziel dieser sogenannten Rechtsvereinfachung ist es aber nicht, das bestehende Recht zu verschärfen. Vielmehr geht es um eine Vereinfachung und somit Effizienzsteigerung von Verwaltungsabläufen.
Wie Sie vermutlich wissen, kommt es in der Praxis bei den anzuwendenden Vorschriften häufig zu umfangreichen Verwaltungsprozessen. Die Gesetzesänderung zielt damit in erster Linie auf die Erleichterung der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern ab, indem Verfahrensvorschriften vereinfacht werden. Darüber hinaus ermöglichen diese Vereinfachungen Rechtsklarheit für leistungsberechtigte Personen, die schneller und einfacher Klarheit darüber erhalten, mit welchen Rechtsansprüchen sie in welchem Umfang rechnen können.
Die Regelungen im Einzelnen machen deutlich, dass eine Schlechterstellung der Leistungsempfänger nicht Intention der Gesetzesänderung ist. Zur Vermeidung von Bürokratie auf beiden Seiten wird der Bewilligungszeitraum für das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld von sechs auf zwölf Monate verlängert. Darüber hinaus wird die Aufnahme einer Ausbildung für Menschen ohne Berufsabschluss verbessert, indem zukünftig unter Anrechnung von Ausbildungsvergütung und –förderung auch Arbeitslosengeld II aufstockend beantragt werden kann. Schließlich wird die Beratung leistungsberechtigter Personen wesentlich gestärkt. Individuelle Potenzialanalysen und eine Betreuung erwerbstätiger Leistungsberechtigter auch nach Entfallen der Hilfsbedürftigkeit sind vorgesehen.
Es steht für mich außer Frage: Menschen, die auf unterschiedliche Weise in Not geraten, genießen sozialen Schutz und erhalten staatliche Unterstützung. In Form eines Regelbedarfs für Wohnen und die Bedürfnisse des täglichen Lebens wird Hilfsbedürftigen mit dem Geld der Gemeinschaft geholfen. Zusätzlich sollen durch die Leistungen im SGB II erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme einer Arbeit unterstützt werden, sodass sie in die Lage versetzt werden, selbstständig ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. So sollen insbesondere Langzeitarbeitslosen neue Chancen eröffnet und ihre soziale Teilhabe langfristig gesichert werden. Eine Arbeitsmarktpolitik nach dem Prinzip des Förderns und Forderns halte ich demnach – gerade angesichts der guten Lage am deutschen Arbeitsmarkt – für den richtigen Ansatz.
Eine moderne Wirtschaft im globalen Wettbewerb stellt den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme vor immer neue Herausforderungen. Damit der wirtschaftliche Erfolg und der soziale Schutz der Menschen fortbestehen, sind Strukturanpassungen erforderlich. Gerade wegen des starken Flüchtlingszustroms ist es von wesentlicher Bedeutung, Verwaltungsabläufe bestmöglich zu verschlanken und Ressourcen für die entstehende Mehrarbeit freizulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Manderla