Frage an Gernot Erler von Klaus S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Erler,
es befremdet mich doch sehr, dass wir das Recht auf Religionsfreiheit über das Recht auf körperliche Unversertheit (und sogar noch von Minderjährigen) stellen.
Zwar gibt man über das Bundes-Immissionsschutzgesetzes vor, dass z.B. die Rufe zum Gebet eines Muezzin aufgrund der Lautstärke eingeschränkt werden können (hier wird der Religionsfreiheit nicht der Vorzug eingeräumt) aber die Beschneidung eines Minderjährigen, der diese Veränderung ein Leben lang tragen muss, hat Vorrang vor dem Recht im GG auf körperliche Unversehrtheit?
=> Der Schutz der Gesellschaft vor Lärm wiegt schwerer als die körperliche Unversehrtheit von Minderjährigen? (Man könnte ja vielleicht mit der Menge der Menschen argumentieren, die betroffen sind, nur leider sind ja durch das Gesetz nicht weniger viele Menschen betroffen.)
Finden Sie das nicht auch völlig unlogisch?
Sehr geehrter Herr Saalfeld,
das Bundes-Immissionsschutzgesetz nimmt vielleicht Einfluss auf die Lautstärke, hinterfragt aber nicht die Legalität religiöser Praktikanten. Anders liegt der Sachverhalt bei der Frage der religiösen Beschneidung, hier geht es um den Kern der jüdischen und muslimischen religiösen Identität.
Ich habe bei der Abstimmung für den Regierungsentwurf gestimmt. Dabei galt es für mich, die Rechtsgüter Erziehungsrecht, körperliche Unversehrtheit, das Kindeswohl und die Religionsfreiheit sorgfältig abzuwiegen – allesamt Rechtsgüter desselben verfassungsrechtlichen Ranges. Kindeswohl ist ganz gewiss körperliche Unversehrtheit. Es erschöpft sich aber nicht darin, sondern es geht auch um Werte, Sicherheit und Identität. Kindeswohl bedeutet auch Zugehörigkeit. Deshalb wehre ich mich dagegen, einen Ritus, der für einen Teil unserer Mitbürger nun einmal zum Kern ihrer Identität, zum Kern ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft gehört, per se als kindeswohlfeindlich abzustempeln.
Mit freundlichen Grüßen
Gernot Erler