Frage an Gerd Will von Hendrik W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Will,
wie Sie vielleicht mitbekommen haben wird in Brüssel darüber nachgedacht ob es sinnvoll wäre Eurobonds einzuführen. Unter solchen Papieren versteht man Anleihen, die von der Eurozone gemeinsam emittiert werden und für die die Eurozone gemeinsam haftet. Dazu gibt es zwei wesentliche Gesichtspunkte. Diese Papiere sind im Grunde wie die Institutionalisierung der staatlichen Garantien für Anleihen anderer Staaten. Länder, die durchaus berechtigterweise höhere Zinsen zahlen müssen, als andere, werden so mit künstlich reduzierten Zinssätzen versorgt. Die Kosten dafür fallen in anderen Eurostaaten an, die besser aufgestellt sind. Im Grunde wird der Konstruktionsfehler der Eurozone wiederholt. Andererseits ermöglichen diese gemeinsamen Papiere ein konsistenteres Vorgehen der EU Behörden. Die Frage ist, ob dieses in einem derart heterogenen Wirtschaftsraum sinnvoll und dauerhaft machbar ist.
Was denken Sie darüber?
Mit freundlichen Grüßen
Hendrik Warrink
Sehr geehrter Herr Warrink,
erst nach der Rückkehr aus meinem Jahresurlaub kann ich Ihnen heute Ihre Frage beantworten.
Eine wesentliche Grundvoraussetzung für international wirksame und schadensarme Finanzmärkte ist, die richtigen Erkenntnisse aus der Immobilien- und Finanzmarktkrise vor 2 1/2 Jahren in praktische Politik umzusetzen. Es muss bei internationalen Finanzgeschäften eine gemeinsame Vorgehensweise entwickelt werden, die sowohl das Verbot bestimmter Geschäfte, als auch eine europa- und möglichst weltweite Abstimmung über die Kontrolle des Finanzmarktes sicherstellen. Geschieht das nicht, wird destruktive Spekulation immer wieder dazu führen, dass einzelne Volkswirtschaften, ob selbst verursacht oder fremdgesteuert, in große Schwierigkeiten kommen. Das betrifft derzeit mehrere Länder innerhalb der EU.
Die Grundidee von europäischen Anleihen ist, dass die Eurozone gemeinsam für Anleihen haftet. Damit würde man die Spekulation gegen Staaten verhindern und das Zinsniveau würde für die meisten Staaten deutlich sinken. Damit der Druck der Märkte erhalten bleibt und nicht Konsum und Verschuldung über extrem niedrige Zinsen finanziert werden, dürfen europäische Anleihen nur einen Teil der Verschuldung refinanzieren.
Die Refinanzierung über Anleihen muss an die strikte Einhaltung der europäischen wirtschafts- und finanzpolitischen Vorgaben gekoppelt werden. Durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt und die integrierten Richtlinien zur Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, haben Anleihen eine disziplinierende Wirkung und wirken auf die Einhaltung der Vorschriften hin.
Welche Alternative gibt es?
Diese besteht in einem immens aufgestockten Rettungsschirm in der Höhe von möglicherweise bis zu 1,5 Billionen Euro. Das entspricht der Hälfte des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Bei den bisherigen Maßnahmen in Höhe von rund 700 Milliarden Euro musste Deutschland eine Kapitaleinlage von 22 Milliarden Euro leisten. Eine Stützung von Italien oder Spanien würde auch Deutschland überfordern. Italien ist der weltweit drittgrößte Schuldner.
Daher immer neue Rettungspakete ohne ein entsprechendes Gesamtkonzept, ohne grundlegende konsequente Kontrolle der internationalen Finanzmärkte, würden Deutschland im Ergebnis wesentlich teurer kommen. Es bleibt am Ende aus meiner Sicht nur die Einführung von Euroanleihen als Teil eines neuen Gesamtkonzeptes.
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Will