Georg Einhaus
SPD
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Frage von Jasmin B. •

Frage an Georg Einhaus von Jasmin B. bezüglich Verkehr

Hallo Herr Einhaus,
da ich noch unentschlossen für die anstehende Landes- und Bundestagswahl bin und nicht so recht weiß, wen ich wählen soll, hier ein paar Fragen, die Sie vielleicht der Einfacheit halber nur mit J(a) oder N(ein) beantworten könnten.
Danke.

Sind Sie DAFÜR:

1. Verhinderung des weiteren Ausbaus des Frankfurter Flughafens (TERMINAL 3)
2. Schaffung von nächtlicher Ruhe durch ein absolutes Nachtflugverbot von 22.00 - 06.00 Uhr
3. Schaffung von rechtlich einklagbaren Grenzen der Belastung für die Bürgerinnen und Bürger
4. Verursachergerechte Zuordnung von Kosten auf die Luftverkehrsindustrie; Stopp der Subventionen
5. Verringerung der Flugbewegungen auf maximal 380.000/Jahr und der bestehenden Belastungen durch Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet
6. Stilllegung der Landebahn Nordwest

Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Bordasch,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.

Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat sich die SPD von Anfang an für eine ehrliche und bürgernahe Politik beim Frankfurter Flughafen eingesetzt. Vor diesem Hintergrund wurde das seinerzeitige Mediationsverfahren mit getragen, dessen Ergebnisse die Grundfeiler der zukünftigen Strategie sein sollten. Leider hat die jetzige Landesregierung einseitig das Mediationsergebnis aufgekündigt und durch diesen Wortbruch entscheidend zu einem allgemeinen Misstrauen gegenüber den politisch handelnden beigetragen.

Der Vorsitzende der hessischen SPD und Fraktionsvorsitzende unserer Partei, Herr Thorsten Schäfer-Gümbel, hat den Flughafenausbau und die nicht akzeptable Situation beim Lärmschutz immer wieder angesprochen und in zahlreichen Parlamentssitzungen thematisiert. Unter Einbindung von verschiedenen BIs wurde am 09.03. d.J. das Landeswahlprogramm der SPD in Hanau beschlossen, dass Richtschnur für unseren Umgang mit dem Flughafenausbau sein wird.

Der Frankfurter Flughafen ist die größte Betriebsstätte der Bundesrepublik Deutschland und bietet vielen Zehntausend Menschen direkt und indirekt Arbeit und Einkommen. Gleichzeitig steht er in der Region u. a. durch die hohen Lärmpegel für eine große Belastung der Anwohnerinnen und Anwohner. Im Bewusstsein dieser Doppelstellung hat sich die rot-grüne Landesregierung unter Hans Eichel in der Wahlperiode 1995-1999 für ein Mediationsverfahren entschieden. Am Ende stand ein 5-Punkte-Plan, dessen einzelne Bestandteile untrennbar miteinander verbunden sein sollten. Das Mediationsergebnis bestand aus den Komponenten Optimierung des3 Systems, Kapazitätserweiterung durch Ausbau, Nachtflugverbot, Anti-Lärm-Pakt und dem Regionalem Dialogforum.

Wir haben die abgewogene Entscheidung der Mediationsgruppe zur Entwicklung des Frankfurter Flughafens begrüßt und als einzige Partei bis heute mitgetragen und verteidigt. Ein Mediationsverfahren kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn die dort geweckten Erwartungen eintreffen (z.B. Schaffung von 57.000 Arbeitsplätzen bis 2015) und die dort gemachten Zusagen eingehalten werden (z.B. die Einrichtung von Lärmobergrenzen). CDU und FDP haben die Schutzmaßnahmen des Mediationsergebnis in wesentlichen Bestandteilen bis heute nicht umgesetzt.

Die Proteste der Bürgerinnen und Bürger sind vor dem Hintergrund der faktischen Belastung, durch die neuen Flugrouten und das Ausmaß der Lärmbelastung sowie der Kaltschnäuzigkeit der Landesregierung verständlich und begründet, auch wenn wir nicht alle Forderungen teilen. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat das Mediationsergebnis zunächst ignoriert, dann dagegen geklagt und setzt nun halbherzige Maßnahmen mit jahrelanger Verspätung um. Der Vertrauensverlust in der Region ist nachhaltig und dauerhaft.

Die Tricksereien der schwarz-gelben Landesregierung gehen aber weiter. Mit der sogenannten Planklarstellung hat sie zukünftigen Regierungen und der Region die rechtlichen Möglichkeiten des Landes für weitergehende Regelungen auf der Landesebene weitgehend genommen. Dies ist das Ergebnis des Umgangs der Regierung Bouffier/Hahn mit den berechtigten Sorgen und Nöten der Menschen in der Region Frankfurt/Rhein-Main. Wir setzen weiter auf politische Möglichkeiten, die am Ende auch rechtssicher gemacht werden sollen.

Aus unserer Sicht gibt es vier Wege: Änderungen von Bundesgesetzen, neuer Antrag der Fraport auf Änderung der Betriebsgenehmigung und ein neuer freiwilliger regionaler Konsens unter allen Akteuren sowie die Umsetzung von Lärmobergrenzen. Die Handlungsoptionen einer Landesregierung aus eigener Rechtskraft sind allerdings durch das Manöver mit der Planklarstellung fast ausgeschöpft. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Handlungsoptionen gibt. Sollten sich etwa aus ausstehenden Urteilen neue und weitere Handlungsmöglichkeiten ergeben, werden wir diese zum Zwecke des Lärmschutzes nutzen (z.B. im Rahmen eines Planergänzungsverfahrens). Vor allem aber werden wir eine politische Initiative aus bundesrechtlichen Änderungen und einem neuen regionalen Konsens ergreifen, um die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen im Flughafenumland zu verbessern.

Das Aktienrecht setzt der Einflussnahme der öffentlichen Anteilseigner auf den Vorstand von Fraport enge Grenzen. Dennoch müssen das Land und die Stadt Frankfurt als Mehrheitseigner des Flughafens sicher stellen, dass von diesen keine unzumutbaren Belastungen für Menschen und Umwelt ausgehen.

Wir brauchen einen neuen, ernst gemeinten Dialog über die Rahmenbedingungen der Flughafenentwicklung, da die Region weder auf den Flughafen noch der Flughafen auf die Region verzichten kann. Die Voraussetzungen dafür sind angesichts der faktischen, rechtlichen und regionalen Ausgangslage sehr schwer. Für uns ist aber klar: Die prognostizierte und vom Planfeststellungsbeschluss am Ausbauende ermöglichte Lärmbelastung ist zu hoch. Der Schutz aller Bürgerinnen und Bürger vor der Lärmbelastung - sowohl in der Nacht als auch am Tag - muss Priorität haben.

Wir werden ein regionales Lärmschutzkonzept fördern und mit den Kommunen erstellen. Darüber hinaus sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die auf eine Lärmreduzierung hinwirken. Hierzu kann beispielsweise die Einführung des CDA- und Point-Merge-Verfahrens gehören sowie weitere An- und Abflugverfahren, deren Erforschung und Erprobung wir einfordern werden.

Vorrangiges Ziel ist daher für uns die Durchsetzung von Lärmobergrenzen, womit wir auch eine Entkopplung von Flugbewegungen und Lärmbelastung erreichen wollen. Wir werden über die Frage, wie Lärmobergrenzen definiert werden, ebenso wie über die Durchsetzungsinstrumente unverzüglich in Gespräche mit allen Beteiligten (Bürgerinitiativen, Kommunen, Airlines, Flugsicherung, Fluglärmkommission und Flughafen) gehen. Dabei muss auch der Schutz vor anderen Lärmquellen mitberücksichtigt werden. Während sich CDU und FDP bei allen Maßnahmen rund um den Flughafen nahezu ausschließlich von der Luftverkehrswirtschaft beraten lassen, werden wir anerkannte und von der Luftverkehrswirtschaft unabhängige Fachleute an den Tisch holen, die insbesondere auch die Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Menschen im Blick haben (z.B. Ärzte und das Umweltbundesamt). Zudem ist in dem neuen Dialog besonderer Wert auf die Verfahrenstransparenz zu legen.

Wir halten an der strikten Einhaltung der Nachtruhe in der sog. Mediationsnacht fest. Für viele Menschen in der Region ist sie eine wirkliche Entlastung, die ohne das Mediationsergebnis nicht möglich wäre. Gleichzeitig sind viele Menschen neu und stark belastet. Deshalb müssen weitere schnellstmöglich Entlastungen durch ein wirkliches Anschwellen zwischen 5:00 und 6:00 Uhr sowie Abschwellen zwischen 22:00und 23:00Uhr, durch die schnellstmögliche Einführung lärmoptimierter An- und Abflugverfahren, durch belastungsärmere Flugroutenplanung sowie eine konzentrierte Nutzung des Bahnsystems (Lärmpausen) müssen konsequent genutzt werden. Ausnahmegenehmigungen wollen wir strikt auf Notfälle beschränken. Darüber hinaus gilt es ernsthaft zu prüfen, ob ein Nachtflugverbot zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr zu fordern ist.

Die Planungen für den Bau des Terminals 3 müssen im Lichte der aktuellen wirtschaftlichen und regionalen Entwicklungen überprüft und angepasst werden. Das Terminal 3 ist überdimensioniert.

Wir wollen den Vorrang von aktivem vor passivem Schallschutz. Die lärmabhängigen Landegebühren müssen ständig weiter angepasst und gegenüber heute noch viel stärker gespreizt werden, so dass sie einen wirksamen Anreiz zum Einsatz leiser Flugzeuge bieten. Besonders laute Flugzeugtypen wollen wir gänzlich von Frankfurt fernhalten. Das 10-Punkte-Programm der Frankfurter Fluglärmkommission begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich.

Wir wollen passiven Schallschutz für die gesamten betroffenen Gebäude und ein Immobilienmanagement für besonders Betroffene sowie eine Ausweitung des Casa-Programms. Für soziale Einrichtungen werden wir ein Lärmschutzsofortprogramm initiieren. Sowohl die Fraport als auch die öffentlichen Anteilseigner müssen sich weiterhin auch der finanziellen Verantwortung für den passiven Lärmschutz stellen. Dies gilt sowohl für Sozial- und Bildungseinrichtungen als auch für Privathäuser. Dazu werden wir in Verbindung mit kommunalen und landeseigenen Wohnungsunternehmen neue Modelle prüfen.

Wie vom Deutschen Ärztetag 2012 zum Schutz der Bevölkerung gefordert, werden wir die neuesten medizinischen Erkenntnisse aus der Lärmwirkungsforschung berücksichtigen. Dabei soll insbesondere die Lärmschutzstudie NORAH belastbare Daten für eine Weiterentwicklung des Lärmschutzes liefern. Darüber hinaus sollen jedoch auch andere medizinische Erkenntnisse und die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Fluglärmbelastung Eingang in eine neue Luftverkehrspolitik finden.

In der Vergangenheit wurden in der Öffentlichkeit vielfach Versprechen abgegeben, die dann nicht eingehalten wurden Wir werden deshalb prüfen, ob und inwieweit die Zusagen der Luftverkehrswirtschaft und der Flugsicherung aus der Vergangenheit zum Schutz der Anwohner des Flughafens umgesetzt wurden und werden strikt auf die pünktliche Einhaltung neuer Zusagen achten.

Die SPD wird den Dialog für einen neuen Flughafenkonsens sofort starten, um so schnell wie möglich zu konkreten und wirksamen Ergebnissen zu kommen.

Wir setzen uns auch weiterhin für ein abgestimmtes nationales und europäisches Flughafensystem ein, genauso wie für eine bundesdeutsche und europäische Lärmschutzgesetzgebung, die Menschen am Tag und in der gesetzlichen Nacht (22:00h bis 6:00h) besser schützt. Dazu werden wir insbesondere Initiativen im Bundesrat einbringen.

Wir werden ebenfalls im Bundesrat aktiv, um endlich den Lärmschutz angemessen im Luftverkehrsrecht zu verankern. Mit Blick auf die evidenten gesundheitlichen Risiken, denen die Bevölkerung im Umfeld der Flughäfen ausgesetzt ist, sollte dem Lärmschutz nach den Sicherheitsaspekten Vorrang vor wirtschaftlichen Belangen eingeräumt werden. Wir wollen sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger bei der Planung von Flughäfen sowie der Festlegung von Flugrouten und An- und Abflugverfahren beteiligt werden. Alle Akteure der Luftverkehrswirtschaft müssen sich dem Thema Lärmschutz stärker stellen, dies gilt insbesondere auch für die Deutsche Flugsicherung.

Auf europäischer Ebene setzen wir uns dafür ein, dass der Einfluss der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO auf deren Kernaufgabe beschränkt wird und der Einfluss der ICAO auf Umwelt-, Gesundheits- und Klimaschutz zurückgedrängt wird. Aktuell setzen wir uns für eine Fortschreibung der Richtlinie 2002/30/EG zu Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union ein und lehnen den Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission, der sich im Rechtssetzungsverfahren befindet, ab, weil dieser ein zu starkes Gewicht auf die Kosteneffizienz von Lärmschutzmaßnahmen legt. Wir werden die Verhandlungen der ICAO zum CO2-Zertifikatehandel kritisch beobachten und nicht jedes Verhandlungsergebnis akzeptieren.

Der in Teilen ruinöse Wettbewerb in der Luftverkehrswirtschaft darf nicht auf dem Rücken der Region und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (z.B. bei den Bodenverkehrsdiensten) ausgetragen werden. Mehr Arbeitsplätze und gut bezahlte Arbeit - von denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leben können, ohne Transferleistungen zu beziehen - sind das zentrale Interesse der Sozialdemokratie, auch am Flughafen. Insbesondere daran werden wir die Entwicklungen am Flughafen bewerten. Auch deshalb wollen wir einen neuen Flughafenkonsens. Im Interesse der Region und im Interesse des Flughafens!

Ich hoffe sehr, dass Ihre Fragen damit beantwortet werden konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Kfm.
Georg Einhaus