Frage an Gabriele Bailey von Frank L. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Bailey,
immer wieder geistert auch in diesen Tagen der "eiserne Rhein" durch die Medienlandschaft. Die Frage, ob und ggf. wo die so bezeichnete Streckentrasse gebaut bzw. wieder in Betrieb genommen wird, bewegt die Gemüter. Seltsamerweise findet die ohnehin - auch ohne eisernen Rhein - schon real existierende Belastung vieler Bürger im Kreis Viersen und anderswo dabei keine Erwähnung. Mehrere hundert Güterzüge in der Woche führen zu einer immensen Lärmbelästigung; von Nebeneffekten wie Erschütterungen und Diesel-Gestank ganz zu schweigen.
Für die Bürger im Kreis Viersen ist es fast schon egal, ob der eiserne Rhein kommt und wenn er kommt, ob er an der A 52 entlangführt oder auf seiner alten Route bleibt. Alle in Rede stehenden Routen würden zu einer weiteren Verstärkung des Güterverkehrs führen. Und wenn er überhaupt nicht kommt, werden die zu erwartenden Zuwächse auf der Montzen-Route sich im Kreis Viersen ebenfalls negativ bemerkbar machen. Für die Anlieger des Düsseldorfer Flughafens führt das zwischen 23.00 Uhr und 06.00 Uhr geltende Flugverbot zu einer verdienten Nachtruhe, entlang der Bahnstrecken ist es umgekehrt: hier geht es genau in dieser Zeit erst richtig los.
Es würde mich - auch und gerade im Vorfeld der Bundestagswahlen - interessieren, ob und ggf. wie Sie persönlich sich für eine diesbezügliche Entlastung der entlang der Bahnstrecken lebenden Bürger bislang schon eingesetzt haben und/oder demnächst einsetzen wollen. Kann ich von Ihnen und Ihrer Partei erwarten, dass Sie für einen besseren Lärmschutz entlang der Bahnstrecken, für Nachtfahrverbote, für ein Verbot besonders alter und damit lärmintensiver Lokomotiven, für eine moderne Bereifung eintreten? Sehen Sie ggf. eine Chance, solche Positionen innerparteilich auch durchzusetzen?
Für eine Stellungnahme wäre ich sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Lohmann!
Herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Sie haben Recht: die Trassenfindung beim Eisernen Rhein bewegt die Gemüter – vor allem die der möglichen Anwohner(innen). Der befürchtete zusätzliche Lärm spielt eine wesentliche Rolle in der Debatte. Nicht teilen kann ich Ihre Einschätzung, dass die real existierende Belastung vieler Bürger(innen) im Kreis Viersen dabei keine Erwähnung findet. Über die Bürgerinitiative von Herrn Tenhagen in Dülken oder den Lärm der „Ludmilla“ wurde ausführlich diskutiert und derzeit wird an innerstädtischem Lärmschutz in Viersen gearbeitet.
Viele gute Ansätze zum Themenfeld „Lärm vermeiden – vor Lärm schützen“ finden sich im Nationalen Lärmschutzpaket, das das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits im Februar 2007 vorgelegt hat: diese reichen von der raumplanerischen Lärmvorsorge über die Lärmminderung an der Quelle, emmissionsabhängige Trassenpreise, Lärmsanierungspläne bis hin zur Forschungsförderung. Leider sind es bisher Pläne geblieben und der Verdacht drängt sich auf, dass es mehr um eine PR-Aktion während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, als um aktives Handeln ging. Konsequent wäre es zum Beispiel gewesen, aus dem Konjunkturpaket II die erforderlichen 500 Millionen Euro für die Umrüstung der lauten rund 136.000 Güterwaggons, die in Deutschland unterwegs sind, zu finanzieren. Auch die lärmabhängigen Trassenpreise hätten schon eingeführt werden können, aber offenbar sind die wirtschaftlichen Interessen noch stärker. Mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie und anderen gesetzlichen Grundlagen haben wir bereits jetzt Instrumente an der Hand, um für mehr Ruhe zu sorgen. Lärmschutz beschränkt sich für mich nicht auf die hässlichen Lärmschutzwände, die sich nicht mit dem Stadtbild vertragen oder manchmal sogar unwirksam sind, wie es sich offenbar an der A 52 in Niederkrüchten herausstellt. Was meines Erachtens fehlt, sind Forschungen, welche Faktoren genau auschlaggebend sind, ob wir Geräusche als Lärm empfinden oder nicht. Aber eines ist ziemlich eindeutig: weit über 60% der Deutschen fühlt sich besonders durch den Verkehrslärm gestört – teilweise mit massiven gesundheitlichen Folgen von den Herz-Kreislauferkrankungen bis zu schweren psychischen und sozialen Beeinträchtigungen. Hier möchte ich mich dafür stark machen, nur noch leisere Fahr- und Flugzeuge zuzulassen und insgesamt unser Mobilitätskonzept zu hinterfragen. Sind nicht viele Transporte eher lohnkostenbedingt und könnte ein europaweiter Mindestlohn Abhilfe schaffen? Wie lassen sich Fahrradverkehr und der ÖPNV besser fördern? Was Lärmminderung angeht, können Sie auch Ihre Kommunalpolitiker vor Ort in die Pflicht nehmen, denn auch sie haben die mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie die Möglichkeit, ihre Stadt leiser zu gestalten.
Ihre Frage nach der Chance, meine kurz geschilderten Positionen innerparteilich durchzusetzen, erübrigt sich fast. Wir Grüne halten Lärm für eins der zentralen Umweltprobleme und sehen dringenden Bedarf, unsere Umwelt leiser und gesundheitsfreundlicher zu gestalten – vom Handyklingelton über Laubsauger bis hin zum Flugzeug.
Mit freundlichen Grüßen
Gaby Bailey