Frage an Gabriela Heinrich von Bert H. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag, hiermit möchte ich einmal grundsätzlich folgende Frage an Sie stellen: Wollen Sie in geeigneter Weise in unserem Staatssystem etwas entscheidend zu einer Veränderung beitragen angesichts der Tatsache, daß in Deutschland lt. entsprechenden Erhebungen aktuell ca. 40 Einwohner/Bürger zusammen genommen ein größeres Vermögen anhäufen bzw. erwirtschaften konnten als ca. 40 Millionen Einwohner/Bürger insgesamt?
40 Megareiche sind also reicher als die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Die ärmere Hälfte der bundesdeutschen Einwohnerschaft hat insgesamt weniger Vermögen als 40 superreiche Einwohner insgesamt. Und diese 40 Megareichen werden gleichzeitig immer reicher, wohlhabender und einflußreicher, während die 40 Millionen Armen immer ärmer und ohnmächtiger werden.
Unser Gesellschaftssystem lässt das ja zu. Wobei man schon auch fragen kann, wie kann es sein, daß sich die 40 Millionen Menschen das überhaupt gefallen lassen und nichts dagegen unternehmen.
Taucht dieses Thema ganz konkret in SPD-Erklärungen irgendwo auf?
Irgendwelche Formulierungen - wie etwa, wir wollen doch mehr Gerechtigkeit schaffen - würden mich definitiv nur langweilen.
Mit besten Grüßen aus Gostenhof-Erlenstegen!
Sehr geehrter Herr H.,
ich bin dafür, dass die Reichen mehr abgeben zugunsten des Gemeinwohls. Denn die ungleiche Vermögensverteilung ist in der Tat ein Problem. Und ich sehe auch die Gefahr – in Deutschland und weltweit – dass wenige Superreiche ihr Vermögen zunehmend zur Einflussnahme nutzen. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass Milliardäre in Deutschland und im Rest der Welt durchaus auch eine Medienmacht besitzen und mitunter auch durch Stiftungen politischen Einfluss nehmen. Sei es Liz Mohn bei Bertelsmann (u.a. RTL, VOX, RTL II, n-tv, Stern, Bertelsmann-Stiftung) oder Friede Springer bei Axel Springer (u.a. Bild-Zeitung).
Dass Reiche immer reicher werden, ist kein deutsches Phänomen, sondern ein weltweites Problem. Ein ganz wichtiger Hebel, dagegen vorzugehen, ist daher die internationale Steuer- und Finanzpolitik. Aktuell hat unser Finanzminister Olaf Scholz eine weltweite Mindeststeuer ins Spiel gebracht. Zusammen mit Frankreich wollen wir zudem auf europäischer Ebene Mindeststeuersätze für die Unternehmenssteuern erreichen und konnten eine diesbezügliche Initiative Deutschlands im Koalitionsvertrag durchsetzen. Das Ziel ist – wie beim Mindestlohn in Deutschland – einen Wettbewerb nach unten zu stoppen. Die Bundesregierung wird sich zudem – auf Initiative der SPD – weiter auf europäischer Ebene für die Finanztransaktionssteuer einsetzen. Weitere konkrete Forderungen seitens der SPD, für deren Umsetzung wir uns einsetzen, finden sie hier.
Auf nationaler Ebene führen wir seit Jahren eine Diskussion über eine Vermögenssteuer. Grundsätzlich finde ich die Idee gut und richtig. Allerdings sind die praktischen Erfahrungen der Vermögenssteuer eher durchwachsen. Zuletzt konnte ein ambitioniertes Modell in Frankreich nicht die Erwartungen und Hoffnungen erfüllen. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass heutzutage auch Reiche mobil sind. Ein vernünftiges und praxistaugliches Konzept, das die wirklich Reichen tatsächlich erreicht, statt am Ende nur den Mittelstand (und mittelständische Betriebe) zu treffen, gibt es bisher nicht.
Bei der Erbschaftssteuer und der Reichensteuer sehen wir dagegen wirksame Möglichkeiten. Die SPD setzt sich jeweils für Reformen ein, damit sehr hohe Einkommen und Vermögen einen stärkeren Beitrag leisten. Für die Umsetzung dieser Reformen fehlt uns allerdings derzeit eine politische Mehrheit – aufgrund des Widerstandes von CDU/CSU in der Großen Koalition, eines fehlenden Regierungsauftrages seitens der Wählerinnen und Wähler für Rot-Grün und der mangelnden Bereitschaft der Linkspartei, Verantwortung zu übernehmen und mit uns zu kämpfen, statt die SPD zu ihrem Hauptgegner zu erklären. Immerhin konnten wir beim Solidaritätszuschlag durchsetzen, dass im Jahr 2021 zunächst 90 Prozent der Steuerzahler vollständig entlastet werden, mit Ausnahme der obersten 10 Prozent.
Bei der Vermögensverteilung ist zu beachten, dass wir zu einer gleichmäßigeren Verteilung nicht allein dadurch kommen, wenn wir Milliardären etwas wegnehmen. Wichtig ist nämlich auch, dass wir die Vermögensbildung der kleinen und mittleren Einkommen erleichtern (deswegen wollen wir auch in Zukunft bei der Erbschaftssteuer sicherstellen, dass nicht das selbstgenutzte Wohnvermögen betroffen ist). Deutschland steht zum Beispiel im internationalen Vergleich bei der Wohneigentumsquote nicht besonders gut da. Mit dem neuen Baukindergeld steuern wir da gerade etwas gegen an, auch wenn die SPD mit einem sozial gestaffelten Familienbaugeld gerne noch weiter gegangen wäre.
Grundsätzlich ermöglichen auch geringere Sozial- und Steuerabgaben eine stärkere Vermögensbildung bei kleinen und mittleren Einkommen. Um gezielt kleine Einkommen zu entlasten, werden wir in Kürze verabschieden, dass Einkommen bis 1.300 Euro bei den Sozialbeiträgen entlastet werden – ohne dass dadurch Rentenansprüche geringer werden. Weitere Entlastungen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wir in der Großen Koalition vereinbart, zum Beispiel durch die Rückkehr zur paritätisch finanzierten Krankenversicherung, Steuerentlastung und eine Kindergelderhöhung sowie den Ausbau des Kinderzuschlags für Geringverdiener. Dabei gilt, dass ein starker Sozialstaat eben auch auf starke Einnahmen angewiesen ist. Wir haben letztes Jahr 1 Billion Euro für Sozialleistungen < https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a230-17-sozialbudget-2017.pdf?__blob=publicationFile&v=2 > zur Verfügung gestellt, doppelt so viel wie vor 25 Jahren. Die Finanzierung unseres Sozialsystems erfolgt dabei übrigens zu 34,2 Prozent durch Arbeitgeberzuschüsse, zu 33,4 Prozent durch den Staat und zu 30,8 Prozent durch Beiträge der Versicherten.
Bei der Ungleichheit der Einkommensverteilung sieht es in Deutschland besser aus als bei der Verteilung der Vermögen. Auch bei der Lohnquote – ein Indikator für die Verteilung des gesamten Volkseinkommens zwischen Kapital und Lohnarbeit – gab es zuletzt eine positive Entwicklung. Die Lohnquote ist heute deutlich höher als vor zehn Jahren < http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/050/1905019.pdf > . Trotzdem bleibt unser klares Ziel, die Ungleichheit – auf allen Ebenen –zu verringern.
Abschließend möchte ich noch feststellen, dass natürlich der Kapitalismus mit der weltweiten Ungleichheit der Vermögensverteilung einhergeht. Auf der anderen Seite ist aber ja auch nichts gewonnen, wenn die Verteilung zwar ausgeglichener ist, aber dann alle gleich wenig Vermögen haben. Die goldene Mitte liegt in einem mittlerweile zwar älteren, aber zeitlosen Konzept: Der SPD geht es darum, die soziale Marktwirtschaft zu stärken.
Ich hoffe sehr, dass ich Sie jetzt nicht allzu sehr gelangweilt habe…
Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Heinrich