Frage an Fritz Kuhn von F. M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kuhn,
können Sie mir sagen, warum der Einzelne, die Kommunen, die Unternehmen und auch der Staat immer weniger Geld zur Verfügung hat (bzw. ständig neue Schulden aufnehmen muss, was ja "weniger Geld haben" entspricht) obwohl jährlich mehr (wenn auch in geringem Umfang) erwirtschaftet wird?
Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wo das Geld, was dem Einzelnen, den Kommunen, den Unternehmen und dem Staat fehlt, bleibt?
Wenn wir doch nicht von Jahr zu Jahr fauler werden und sogar mehr erwirtschaften, dann müssten wir doch wenigstens jedes Jahr wieder "satt" werden, oder nicht?
Ich hoffe Sie können mir diese, mich unablässlich quälenden Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
F. M.
Sehr geehrter Herr M.,
2007 konnten Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen seit 1969 zum ersten Mal einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen und das trotz steigender Ausgaben (durch Mehrausgaben und Preissteigerungen). Dies ist auch auf die Reformen der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen. Man kann also nicht behaupten, dass Kommunen und der Staat weniger Geld zur Verfügung hätten. Auch die Unternehmen haben derzeit gut gefüllte Auftragsbücher.
Der Einzelne hat seit der Mehrwertsteuererhöhung von 3% zum 01.01.07 tatsächlich weniger Geld zur Verfügung. Die Erhöhung verteuert noch zusätzlich die auf den Weltmärkten ohnehin angestiegenen Öl- und die Energiepreise. Fossile Energieträger sind endlich, auch Uran. Daher ist Atomkraft keine Alternative zu regenerativen Energien. Wenn man sich von fossiler Energie abhängig macht und die Weltmarktnachfrage steigt, dann werden diese Energien teurer. Deshalb sagen wir: Regenerative Energien sind langfristig am günstigsten. Die Verteuerung bei den fossilen Energieträgern trifft besonders die Menschen im unteren Einkommensbereich sowie mit höherem Grundverbrauch wie z.B. Familien. Die Große Koalition hat sich bisher geweigert, die Erhöhung der Energiekosten durch entsprechende Anpassungen bei den Regelsätzen für AlG-II-BezieherInnen angemessen auszugleichen.
Für die verschiedenen Gruppen von Betroffenen haben wir von Bündnis 90/Die Grünen auch differenzierte Antworten:
Wir fordern mit unserem Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz eine Erhöhung des AlG II auf 420 Euro pro erwachsener Person. Auch die Kinder von ALG II-Empfängerinnen und Empfänger wollen wir besser unterstützen. Die derzeitigen Regelleistungen für Kinder in Höhe von 60 bzw. 80 Prozent der Regelleistungen eines Erwachsenen wird den eigenständigen Bedürfnissen von Kindern nicht gerecht. Die Regelsätze für Kinder müssen nach kindgerechten Maßstäben und mit transparenten Indikatoren wie Alter oder Ausbau des Kinderzuschlags ermittelt werden. Bei Anwendung dieser Indikatoren würden sich die Regelsätze für Kinder perspektivisch auf 300 bis 350 Euro erhöhen. Durch diese und andere infrastrukturelle Maßnahmen wollen wir den Ausbau zu einer echten Grundsicherung erreichen.
Wer den ganzen Tag arbeitet muss von seiner Hände Arbeit leben können. Die Situation der Aufstocker, die trotz einer Vollzeitbeschäftigung noch ergänzende Leistungen vom Staat beziehen müssen, weil es sonst nicht reicht, ist unerträglich. Daher fordern wir für alle Branchen in denen die Tarifpartner sich nicht einigen können eine Mindestlohnkommission, die nicht nur mit den Tarifpartnern, sondern auch mit Wissenschaftlern besetzt ist. Diese Kommission gibt Empfehlungen für branchen- und regionalspezifische Mindestlöhne ab, die dann vom Bundesarbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt werden. Zudem wollen wir eine Ausweitung des Arbeitnehmerentsende-Gesetzes auf alle Branchen.
Die Rente ist heute nicht mehr für alle sicher. Daher wollen wir einzelne Zweige der Altersvorsorge zu einer Bürgerversicherung zusammenfassen. Die Regeln zur Versicherungspflicht sind nicht mehr zeitgemäß. Unstete Erwerbsverläufe mit Zeiten ohne Erwerbseinkommen nehmen zu. Abhängige Beschäftigung und selbstständige Tätigkeit gehen ineinander über. Ehen sind unbeständig und scheitern. Unsere gesamte Sozialversicherung ist aber immer noch am so genannten Normalarbeitsverhältnis ausgerichtet, also am Modell des ununterbrochen und voll erwerbstätigen Mannes mit einer Ehefrau. Für den sozialen Schutz der Bevölkerung und die Mitgliedschaft in den Sozialversicherungen soll es unseres Erachtens in Zukunft nicht mehr wichtig sein, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist. Es darf auch keine Rolle mehr spielen, ob jemand ledig, geschieden oder verheiratet ist.
Was wir als Grüne bemängeln, ist die immer größer werdende Schere zwischen arm und reich. Um dem entgegen zu wirken, haben wir ein sogenanntes Progressivmodell entwickelt. Dabei sollen die Lohnnebenkosten im unteren Einkommenssegment (bis ca. 2.000 Euro) gesenkt werden, so dass für die Geringverdiener mehr Netto übrigbleibt. Zudem aktiviert dieses Modell Beschäftigungspotentiale, da auch die Arbeitskosten für die Arbeitgeber sinken.