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Fritz Kuhn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gerhard L. •

Frage an Fritz Kuhn von Gerhard L. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Kuhn,

Ich habe bei den letzten Wahlen grün gewählt, obwohl ich mit etlichen Partei Zielen nicht konform gehe.

Zu einem dieser Parteiziele gehört auch die generelle Forderung nach Tempo 30 innerhalb von Ortschaften.

Ich habe, wenn ich von Heidelberg Ziegelhausen nach Heidelberg möchte, keine andere Wahl als durch eine ziemlich lange Tempo-30-Zone zu fahren oder einen ziemlich großen Umweg in Kauf zu nehmen.

Deshalb bilde ich mir ein, dazu auch Stellung nehmen zu können und meine abschließende Frage an Sie zu formulieren.

Mit meinem sehr sparsamen Diesel kann ich in Tempo 50 Zonen mindestens den dritten Gang, oft sogar den vierten Gang benutzen und somit maximal Energie sparend und umweltschonend fahren. Nicht jedoch, wenn ich mich strikt an das Tempolimit 30 halte, dann muss ich in den zweiten Gang herunter schalten.

Im zweiten Gang verbrauche ich jedoch bei gleichem Tempo nahezu die doppelte Benzinmenge gegenüber dem vierten Gang. Und produziere natürlich auch annähernd die doppelte Menge Schadstoffe.

Ich habe auch immer wieder festgestellt, dass Aufmerksamkeit und Tempo in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, je langsamer die Durchschnittsgeschwindigkeit ist, umso mehr nimmt auch die Aufmerksamkeit ab. Insoweit halte ich generelle Tempo-30-Zonen nicht für einen Sicherheitsgewinn, insbesondere nicht für Fußgänger und Fahrradfahrer, sondern im Gegenteil für einen eklatanten Sicherheitsverlust. Nur dort, wo ein generelles Tempolimit für eine beschränkte Strecke herabgesetzt wird, wird die Sicherheit und Aufmerksamkeit erhöht, weil es sich dabei gleichzeitig um ein deutliches Gefahrensignal handelt. Ich spreche aus langjähriger Erfahrung, insgesamt bin ich seit ich meinen Führerschein erworben haben mindestens 1,5 Millionen km gefahren.

Wie beurteilen Sie die Forderung der Grünen nach einem generellen Tempolimit 30 innerorts im Zusammenhang mit dem erhöhten Energieverbrauch bei diesem Tempo und nachlassender Aufmerksamkeit?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lindemann,

vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben Recht, dass die Vorteile von Tempo 30 besser zum Tragen kommen, wenn es flächendeckend eingeführt wird. Deshalb fordern wir Grünen schon lange Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit im städtischen Verkehr, außer auf großen Verkehrsmagistralen.

Vorrangiges Ziel von Tempo 30 im Stadtverkehr ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit Innerorts sowie die Reduktion von Lärm. Bei einem Unfall mit Tempo 50 ist das Risiko für Fahrradfahrer und Fußgänger schwer oder tödlich verletzt zu werden sehr hoch. Ab Tempo 30 hingegen ist die Aufprallgeschwindigkeit deutlich geringer und viele Unfälle verlaufen deutlich glimpflicher. Das betrifft insbesondere die zahlreichen Unfälle mit Kindern, die oft unvermutet vor ein Auto laufen sowie ältere Menschen deren Reaktionsvermögen beeinträchtigt ist.

Ihre Behauptung, dass bei geringeren Geschwindigkeiten die Aufmerksamkeit im Verkehrsgeschehen sinkt, trifft nicht zu. Vielmehr unterstützt Tempo-30 die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit der Autofahrer für Vorgänge seitlich der Fahrbahn. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit von Autofahrern auf den Fahrbahn- und Seitenbereich der Fahrbahn sowie die Aufnahme von Blickkontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern spielt eine wesentliche Rolle gerade für die Kooperationsbereitschaft und Verkehrsverhaltenskultur der Verkehrsteilnehmer untereinander ("Tunnelblick" versus "Weitwinkelblick").

Da die menschlichen Sinne nur eine beschränkte Anzahl an Reizen / Informationen je Zeiteinheit aufnehmen und verarbeiten können, werden umso mehr wichtige Details "ausgeblendet", je schneller gefahren wird. Untersuchungen zeigen, dass Autofahrer ihre Aufmerksamkeit auf die Fahrbahnmitte vor dem Fahrzeug richten, um so mehr die Geschwindigkeit zunimmt, während die Aufmerksamkeit für den seitlichen Bereich bzw. den Blickkontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern deutlich abnimmt. Das bedeutet, dass Vorkommnisse, die seitlich vor dem Fahrzeug stattfinden, mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit weniger leicht wahrgenommen werden. Dies ist aber gerade in verbauten Wohnstraßen mit Fußgänger-, Rad- und ruhendem Verkehr sowie Kindern auf Gehsteigen oder im Fahrbahnrandbereich besonders gefährdend.

Unser Positionspapiere zur grünen Verkehrssicherheitsstrategie "Vision Zero - Mehr Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen. Keine Toten und Schwerverletzten" finden Sie unter dem folgenden Link:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/verkehr/dok/262/262920.vision_zero.html

Auch Ihre Behauptung, Tempo 30-Fahren verbrauche mehr Sprit und produziere mehr Schadstoffe trifft nicht zu.

Autohersteller und Autoexperten empfehlen seit Jahren, dass Tempo 30 im dritten Gang gefahren werden soll. Das schont den Motor, ist leiser und führt zu geringerem Verbrauch. Ein VW Golf (55kW/75 PS) braucht z.B. bei konstant 30 km/h im dritten Gang zwei Liter Benzin weniger pro 100 km/h als im zweiten Gang.

Zwar verbraucht ein PKW bei Tempo 50 im vierten Gang weniger Treibstoff als bei Tempo 30 im dritten Gang. Doch gilt dies nur für die Konstantfahrt. Den höchsten Verbrauch hat ein Auto während der Beschleunigungsphase. In einem Wohngebiet, in dem rechts vor links gilt, kommen bei Tempo 50 mehr und längere Beschleunigungsphasen vor als bei Tempo 30. Bei Tempo 30 erhöht sich der Anteil der verbrauchsgünstigen Konstantfahrtphasen.

Weitere Tipps zum Spritsparenden Fahren finden Sie hier:
http://www.energiesparen-im-haushalt.de/energie/tipps-zum-energiesparen/spritverbrauch-autos/spritsparend-fahren.html

Übrigens, noch besser ist es natürlich kurze Strecken in Stadt oder Gemeinde zu Fuß oder per Fahrrad zurückzulegen.

Mit freundlichen Grüßen

Fritz Kuhn