Frage an Fritz Güntzler von Silke I. bezüglich Politisches Leben, Parteien
Sehr geehrter Herr Güntzler,
mit Sorge verfolge ich die Bemühungen von Umweltministerin Svenja Schulze um den Erhalt der Biodiversität, die wir nur mit entsprechenden Maßnahmen in der Landwirtschaft erreichen können (zur Rolle der Landwirtschaft s. auch im Blog von abgewordentenwatch.de: https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/lobbyismus/duengeverordnung-wie-sich-die-bundesregierung-fuer-die-interessen-der-agrarlobby). Die Agenda 2030 fordert Politik zu kohärentem Handeln auf. Dadurch können Maßnahmen des einen Ministeriums/Fachbereichs nicht mehr durch solche eines anderen ad absurdum geführt werden. Das BMZ hebt außerdem hervor: „Eine kohärente Politik sorgt (…) dafür, dass Steuermittel möglichst effizient eingesetzt werden“ (s. http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/politikkohaerenz/index.html). Die Bundesregierung hat in ihrem Newsletter über einen Workshop zur Agenda 2030 berichtet: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden es sehr positiv und wichtig, dass alle Ziele der Agenda 2030 gleichwertig sind. Nach Einschätzung der Teilnehmer hat Nachhaltigkeit kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem: Wir wissen genug, aber wir handeln häufig nicht nachhaltig. (https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/newsletter-und-abos/newsletter-nachhaltigkeit/neue-globale-partnerschaft-fuer-nachhaltige-entwicklung-umsetzung-der-2030-agenda-in-und-durch-deutschland--417846)
Das scheint mir auch für die Auseinandersetzungen zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft hinsichtlich Biodiversität zu gelten. „Die Agenda 2030 hat das politische Potential, als Gegenmodell gegen nationale Borniertheit und als „Kompass“ (BMZ) für den notwendigen Wandel in allen Politikfeldern zu dienen. Bislang wurde dieses Potential weder von der Politik noch von der Zivilgesellschaft ausgeschöpft“, formuliert Jens Martens (in: J. Martens: Zivilgesellschaft und Agenda 2030, S. 37)
Vor diesem Hintergrund interessiert mich: Wie wenden Sie persönlich, wie Ihre Fraktion das Kohärenz-Gebot an? Und wie kommt es innerhalb der Regierung zur Anwendung?
Vielen Dank im Voraus, mit besten Grüßen
S. I.
Sehr geehrte Frau Inselmann,
vielen Dank, dass Sie sich mit Ihrer Frage zur kohärenten Politik im Verhältnis von Umwelt- und Landwirtschaft in Bezug auf die Biodiversität an mich wenden.
Die Regierungskoalition hat dafür gesorgt, dass kontinuierlich mehr Geld in den Schutz der biologischen Vielfalt fließt. Im Bundeshaushalt 2020 sind für das Bundesprogramm „Biologische Vielfalt” mittlerweile über 44 Millionen Euro eingestellt. Das ist im Vergleich zu 2017 mehr als das Doppelte. Der Bund finanziert unter anderem Modellvorhaben zum Erhalt der biologischen Vielfalt.
Die biologische Vielfalt bildet die Grundlage unseres Lebens und unserer Nahrungsmittelproduktion. Von besonderer Bedeutung für die Biodiversität und Ernährungssicherheit sind hier auch die Bienen. Mit einem Imker aus Gerblingerode habe ich mich über die Herausforderungen, denen sich die Bienenzüchter schon seit Jahren gegenübersehen unterhalten. Vor allem das Bienensterben und die Bedrohung des Lebensraums der Insekten stellt die Imker vor große Probleme.
Meine Fraktion und ich setzen uns daher auf nationaler und auf EU-Ebene für mehr Bienenschutz ein – sowohl bei der Zulassung als auch beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Seit 2016 gibt es nun ein nationales Fachinstitut für Bienenschutz.
Eine kohärente Politik ist unser Ziel. Dabei geht es darum, unterschiedliche Interessen politisch abzuwägen und auszugleichen. Dabei sollte sich die Wirkung im Sinne eines Ziels als widerspruchsfrei erweisen. Ganz im Sinne von Nachhaltigkeit sind immer unterschiedliche Dimensionen zu berücksichtigen.
Im Verhältnis von Umwelt- zu Landwirtschaftspolitik haben wir es mit einer Reihe von Themen zu tun, die aus unterschiedlichen Interessen und Ziele bestehen. Bodenschutz, Gewässerschutz, Biodiversität sind Beispiele dafür. Das BMU vertritt hier die Umweltseite, das BMEL die Seite der Landwirtschaft. Maßnahmen zum Schutz der Natur werden mit dem Bedürfnis der Menschen nach gesunden Lebensmitteln und der Landwirte nach wettbewerbsfähigen Produktionsmöglichkeiten abgewogen und um einen Kompromiss zu finden. Im Gesetzgebungsprozess wird versucht, durch Einbindung aller Betroffenen, des Bundesrats und des Deutschen Bundestags, die jeweiligen Interessen auszugleichen. Das gelingt in unterschiedlichem Maße. Allerdings ist es erforderlich, dass die Maßnahmen kohärent, also sich in ihren Wirkungen ergänzen und nicht widersprechen.
Beispiele aus der jüngeren Gesetzgebung sind die Düngeverordnung oder das Wasserhaushaltsgesetz. Die Forderung nach Reduzierung der Nitrateinträge in die Gewässer harmonisiert hier mit dem Erfordernis der Düngung in der Landwirtschaft. Es wurde Kompromisse gefunden. Die Suche nach tragfähigen Kompromissen für alle Seiten ist auch im Verhältnis Umwelt zu Landwirtschaft entscheidend. Dass es bei einem Kompromiss am Ende niemanden gibt, der als strahlender Sieger hervorgeht, liegt in der Natur der Sache.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Güntzler