Frage an Frithjof Schmidt von Reinhard G. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Frithjof Schmidt,
ich halte das Vorhaben des Bundeskabinetts, dass Deutschland mit Waffen und Soldaten in den Krieg in Syrien eintritt, für den puren Wahnsinn! Sehen Sie auch die große Gefahr, dass der Krieg dann auch zu uns kommt? Wohin sollen die Flüchtlinge dann noch gehen?
In Syrienkrieg gibt es wegen der unterschiedlichen Kriegsparteien ein großes Konfliktpotential. Das hat sich ja jetzt schon beim abgeschossenen russischen Flugzeug gezeigt. Sehen Sie nicht auch die große Gefahr, dass sich der Krieg auf Europa ausweiten könnte? Oder die Gefahr, dass sich IS- Kämpfer vermehrt als Flüchtlinge tarnen?
Gegen wen soll sich der Militäreinsatz richten? Gegen den IS oder auch gegen Assad? Hat Frankreich das Mandat der UN, in Syrien militärisch aktiv zu sein? Darf Deutschland ohne UN-Mandat in Syrien mit Tornados Bombenangriffe vorbereiten? Ist das nicht völkerrechtswidrig und würde das nicht gegen das Grundgesetz verstoßen? Könnte das nicht als Angriffskrieg im Sinne des STGB § 80 und 80a auch strafrechtlich relevant sein? http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__80.html
Alle Kriegsparteien in Syrien, auch der IS, sind mit modernen westlichen Kriegswaffen ausgestattet. Auch mit deutschen! Sollte nicht der Nachschub an Waffen und die IS-Finanzströme konsequent unterbunden werden? Warum werden nicht friedliche Mittel gegen den IS umgesetzt?
Sehr geehrter Herr Großmann,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zum Thema Syrien-Einsatz. Ich bewerte diesen ebenfalls sehr kritisch und habe daher bei der Abstimmung am 04.12.15 zum „Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den IS (Daesh) in Syrien“ mit Nein gestimmt. Die Grünen im Bundestag lehnten das Mandat mit einer überwältigenden Mehrheit ab.
Auch wenn Daesh nur politisch besiegt werden kann, muss diese Terrororganisation auch militärisch bekämpft werden. Doch der militärische Einsatz der Bundeswehr erfolgt ohne ein schlüssiges politisches und militärisches Gesamtkonzept. Es ist unklar, mit wem Deutschland gegen wen und für welches politische und militärische Ziel kämpft.
Die völkerrechtliche Grundlage dieses Einsatzes ist aus unserer Sicht hochproblematisch. Die verabschiedete Resolution 2249 des VN-Sicherheitsrats vom 20.11.2015 fordert die Mitgliedsstaaten zwar auf, gegen Daesch vorzugehen, autorisiert sie aber nicht zu einem friedenserzwingenden Kampfeinsatz in Syrien. Da Russland dem nicht zustimmen wollte, gibt es keine VN-Resolution, die militärische Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta ausdrücklich billigt. Der vom Grundgesetz (Art. 24, Abs. 2) geforderte Rahmen für einen Kampfeinsatz der Bundeswehr (System kollektiver Sicherheit) ist nicht gegeben. Der politische Akt der Berufung auf die EU-Beistandsklausel (Art. 42 Abs. 7 EUV) reicht nicht aus. Alle konkreten Unterstützungsmaßnahmen sollen – so die Außenbeauftragte der EU, Mogherini, und der französische Verteidigungsminister, Le Drian - bilateral besprochen werden.
Darüber hinaus bleiben viele wichtige Fragen zur politischen und militärischen Gesamtstrategie der Bundesregierung offen. So gibt es von der Bundesregierung keine Aussage darüber, ob sie explizit oder implizit an der Seite Assads und Russlands vorgehen will. Dies lehnen wir entschieden ab. Angesichts der fortgesetzten massiven Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes, gerade gegen Zivilist*innen und Oppositionellen, wäre eine solche Zusammenarbeit ein Skandal, ganz abgesehen von der Gefahr, dass dies von Daesch erfolgreich als Rekrutierungspropaganda genutzt werden würde.
Sie beschreiben zu Recht, dass Waffenlieferungen höchst problematisch sind und die Finanzströme des Daesh unterbunden werden müssen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Den Stopp von Waffenlieferungen in Krisengebiete fordern wir Grünen schon seit langem. In diesem Zusammenhang müssen endlich auch die deutschen Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien und Katar beendet werden.
Viele Menschen müssen vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und existenzieller Not aus ihren Ländern fliehen. Aus unserer Sicht ist es eine menschenrechtliche Verpflichtung diesen Menschen Schutz und Zuflucht zu gewähren. Die kriegerischen Konflikte und die humanitären Krisen in der europäischen Nachbarschaft und die damit verbundenen Flüchtlingsbewegungen sind eine der größten Herausforderungen, der sich Deutschland und die EU in den vergangenen Jahrzehnten stellen mussten. Die schwierigen Aufgaben sind jetzt zu lösen, weil die Bundesregierung es über viele Jahre versäumt hat, sich der Realität zu stellen. Wir brauchen dringend eine tragfähige Willkommensstruktur und die Bundesregierung muss sich mit aller Kraft dafür einsetzen, die Kommunen und Behörden in ihrer Arbeit zu stärken und ihnen zu ermöglichen Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen. Neben diesen Anstrengungen nach innen, gilt es zudem weiter für eine aktive und vorausschauende Friedenspolitik einzustehen, damit Menschen erst gar nicht in Not geraten und ihre Heimat verlassen müssen. Die Grüne Bundestagsfraktion hat dazu kürzlich einen umfassenden Antrag vorgelegt: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/070/1807046.pdf
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Frithjof Schmidt