Frage an Frauke Heiligenstadt von Karsten L. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Heiligenstadt,
Vor dem Hintergrund der Abordnung von Lehrern der Gymnasialen Oberstufe, wollen sie die fachspezifische Ausbildung von Lehrern abschaffen oder schwächen, indem sie die Differenzierung zwischen den Ausbildungen für Schulformen beseitigen?
Wie wollen sie diese, zum Teil, fachfremde Verwendung von MINT Lehrern in zum Beispiel musischen Fächern der Primarstufe verhindern.
Der Philologenverband kritisiert zudem den Ausfall von Fächern des Kerncurriculums durch die abgeordneten Lehrer an den Schulen der Unter- und Oberstufe der weiterführenden Schulen, während diese abgeordneten Lehrer an den Empfängerschulen der Primarstufe oftmals als Egänzungslehrer (2. Lehrkraft in der Klasse) oder Aufsicht im Rahmen verlässlicher Grundschule, ohne wirkliche Lehraufgabe, verwendet werden.
Wie wollen sie diese bedenkliche Entwicklung zu Lasten der Unter- und Oberstufen verhindern?
Sehr geehrter Herr L.,
die Niedersächsischen Schulen und Lehrkräfte sind untereinander äußerst solidarisch: Gut mit Lehrkräften versorgte Schulen unterstützen Schulen mit einer schlechteren Ausgangslage. Das war Gegenstand des 17-Punkte-Aktionsplanes zur Lehrkräftegewinnung, den ich bereits im Sommer 2016 vorgestellt habe, und der dafür gesorgt hat, dass in Niedersachsen im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern immer eine recht gute Anzahl an Einstellungen ausgebildeter Lehrkräfte erreicht wurde. Nichts desto trotz, ist es zu Beginn dieses Schuljahres nicht möglich gewesen, ausreichend Grundschullehrer in Niedersachsen einstellen zu können. Das lag insbesondere an einer geringen Bewerberzahl. Ausgelöst wurde dieser Bewerbermangel durch die Entscheidung der Vorgängerregierung, die Lehramtsstudiengänge für das Grundschullehramt in Hannover und Göttingen zu schließen. Außerdem wurde das Studium für Grundschullehrkräfte verlängert („GHR300“). Ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Jahr wieder ausreichend Bewerbungen für Grundschulen in Niedersachsen haben werden.
Nach einer aktuellen Auswertung der Niedersächsischen Landesschulbehörde zum Thema Abordnungen, die das Niedersächsische Kultusministerium beauftragt hatte, ist erkennbar, dass von Gymnasien 2.133 Stunden an Grundschulen gehen, das entspricht 421 Abordnungen und damit rund 76 Grundschullehrerstellen. Angesichts der Anzahl von ca. 92.000 Stunden Abordnungen von anderen Schulformen an unterschiedlichste Schulformen, zeigt sich deutlich, dass es ein sehr kleiner Anteil ist.
Abordnungen gehören zum Schulalltag. Das zeigen über 8200 Abordnungen insgesamt sehr eindrucksvoll. Es geht unter anderem darum, dass besser versorgte Schulen den Schulen helfen, die weniger Lehrkräfte haben - und dies für einen begrenzten Zeitraum.
Die Gymnasien haben die mit großem Abstand beste Unterrichtsversorgung der weiterführenden Schulen. Es gibt aus Sicht der Landesregierung daher keinen sachlichen Grund, wieso nicht auch von Gymnasien abgeordnet werden sollte.
Auch die kleinsten und jüngsten Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf guten Unterricht. An den Grundschulen wird die Basis für die Bildungslaufbahn gelegt und hier ist auch eine verlässliche Betreuung für die Eltern sicherzustellen. Da müssen alle aushelfen und ich erlebe überwiegend eine hohe Solidarität von abgebenden Schulen und abgeordneten Lehrkräften mit Schulen, die einen Engpass haben. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich bei den Schulleitungen und den Lehrkräften. Es zeichnet sich zudem ab, dass die Talsohle durch GHR300 bald durchschritten sein wird. Die Perspektive ist also positiv. Im Jahr 2018 werden voraussichtlich über 1.000 Anwärterinnen und Anwärter erfolgreich den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen und das Lehramt an Haupt- und Realschulen abgeschlossen haben und stehen damit als potenzielle Lehrkräfte bereit. Ich bin zuversichtlich, dass wir im Jahr 2018 die 100 Prozent Unterrichtsversorgung wieder erreichen werden. Das ist mein klares Ziel.
Bezüglich der Kritik, Abordnungen von Gymnasien an andere Schulformen seien zu spät erfolgt, verweise ich auf den Präsidenten der Niedersächsischen Landesschulbehörde Ulrich Dempwolf. Die Landesschulbehörde ist zuständig für die Durchführung des Einstellungsverfahrens und hat in den letzten Jahren über 14000 Einstellungen umgesetzt. Hier war es oberstes Ziel, im kürzlich abgeschlossenen Einstellungsverfahren erst so viele Lehrkräfte wie möglich einzustellen, bevor das Instrument der Abordnung eingesetzt wurde. Zwar hat die Landesschulbehörde vor den Ferien im Juni bereits mit Gymnasien und Gesamtschulen darüber gesprochen, dass Abordnungen an Grundschulen zu Schuljahresbeginn erfolgen müssten. Es wird aber auch durch ihn eingeräumt, dass es durchaus möglich sei, dass die letzten Stundenverfügungen recht kurzfristig an einige Schulen gegeben wurden. Er hat das natürlich als außerordentlich bedauerlich empfunden und wird überprüfen, an welchen Stellen das Abordnungsverfahren optimiert werden kann. Das wird genau auszuwerten sein.
Die schulfachlichen Dezernentinnen und Dezernenten der Landesschulbehörde beraten Schulleitungen mit Blick auf den Einsatz der Gymnasiallehrkräfte an Grundschulen. Sie weisen die Schulleitungen u.a. darauf hin, dass der Einsatz der Gymnasiallehrkräfte nach Möglichkeit in den Klassenstufen 3 und 4 erfolgen soll. Wichtig ist außerdem, dass ein Einsatz möglichst in den studierten Fachrichtungen erfolgen und bei der Erteilung von Hauptfächern organisatorisch möglichst sinnvoll gestaltet werden soll, indem beispielsweise Doppelstunden erteilt werden. Wenn diese Punkte schulorganisatorisch schwer umzusetzen sind, stehen die Dezernentinnen und Dezernenten für Beratung und Unterstützung der Schulleitungen bereit. In der Regel besprechen die Schulleitungen der abgebenden und der aufnehmenden Schulen den Einsatz aber auch untereinander mit den betroffenen Lehrkräften.
Mit freundlichen Grüßen
Frauke Heiligenstadt