Frage an Franz Untersteller von Udo K. bezüglich Wirtschaft
Was halten sie von dem Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bzw Kanada?
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu unserer Position in Sachen TTIP und CETA.
Seit Beginn nehmen wir GRÜNE die Handelsabkommen TTIP und CETA hinsichtlich ihrer möglichen Chancen und Risiken sehr ernst. Dabei ist für uns selbstverständlich, dass etwaige Handelserleichterungen nicht auf Kosten von demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten sowie Umwelt- und Verbraucherschutz gehen dürfen. Dies stellt für uns eine rote Linie dar, die nicht überschritten werden darf.
Diese Position der roten Linie vertritt übrigens auch die Landesregierung in ihrem veröffentlichten Eckpunktepapier zu TTIP https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/150317_LReg_BW_Eckpunkte_TTIP.pdf Die Landesregierung hat hierbei mit ihrem Beirat https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/landesregierung-bringt-ttip-beirat-auf-den-weg/ gezeigt, wie sie sich eine Debattenkultur zu dem Thema vorstellt: Sie hat den ersten Beirat auf Landesebene zu dem Thema eingerichtet und Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft dazu eingeladen, ihre Positionen zu den vielfältigen Punkten einzubringen, die in dem Handelsabkommen diskutiert werden. Ein guten und klaren Überblick bietet hierüber auch der Auszug aus dem Landtagswahlprogramm, den Sie im Anschluss finden:
TTIP, CETA und TISA – nur fair und transparent
Baden-Württemberg braucht faire Regeln für internationalen Handel. Es entspricht unserer Überzeugung, dass fairer Welthandel einen Beitrag zum Wohlergehen aller leistet. Wir wollen erreichen, dass die Abkommen transparent verhandelt werden. Sie sollen nur umgesetzt werden, wenn sie fair und im Einklang mit den Werten sind, auf denen die Europäische Union sich gründet: Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Besonderes Augenmerk gilt den Auswirkungen solcher Abkommen auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Auch als Nichtbeteiligte sind diese von solchen Abkommen betroffen. Dabei gilt es, ihre wirtschaftliche Kraft im Weltmarkt zu stärken und nicht zu schwächen. Daher haben wir GRÜNE rote Linien gezogen, die klare Grenzen setzen für das Zustandekommen einer Freihandelspartnerschaft zwischen EU und USA.
EU-weit errungene Standards in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit und Soziales, Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Datenschutz müssen unangetastet bleiben. Dazu gehört auch das wichtige und lang erkämpfte europäische Prinzip der Vorsorge, das das Ausmaß und den Eintritt von Schadensfällen in all diesen Bereichen wirksam reduziert. Bestehende Regulierungen werden auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene demokratisch fortentwickelt, dies darf nicht von den Vereinbarungen transatlantischer Handelsverträge beeinträchtigt werden. Die Weiterentwicklung unserer ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Standards muss Gegenstand von öffentlichen Prozessen sein und im Rahmen der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative erfolgen statt hinter verschlossenen Türen - wie zum Beispiel in einem regulatorischen Rat für Kooperation. Genauso dürfen auch unsere Verbraucherrechte nicht eingeschränkt werden, Kennzeichnungspflichten nicht ausgehöhlt und die Qualität unserer Lebensmittel nicht verringert werden. Die Abkommen dürfen keinesfalls durch die Hintertür Gentechnik in Baden-Württemberg einführen.
Investor-Staats-Klagen (ISDS) vor privaten Schiedsgerichten unterhöhlen den Rechts- und den Verfassungsstaat, privilegieren externe Investoren gegenüber heimischen Unternehmen und schwächen die Demokratie. Wir halten sie daher für grundfalsch. Der Schutz von Mensch und Umwelt, der unabhängig von wirtschaftlichen Interessen ist, ist nur durch eine öffentliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Deshalb fordern wir, dass ordentliche staatliche Gerichte für die Streitbeilegung zwischen Investoren und Staaten zuständig sind und ausländischen Investoren keine Sonderrechte gegenüber inländischen Betrieben eingeräumt werden. Ein internationaler Handels- und Investitionsgerichtshof ist für uns nur dann ein geeignetes Gremium, wenn dieser den Klageweg für Investoren und für natürliche Personen eröffnet. Die Investoren dürfen nicht nur Rechte, sondern müssen auch Pflichten haben. Der Gerichtshof könnte im System der Vereinten Nationen verankert sein. Damit können auch andere internationale Verträge Bewertungsgrundlage für Entscheidungen des Gerichtshofs sein, wie zum Beispiel die Klimarahmenkonvention oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.
Nach heutigem Kenntnisstand lehnen wir GRÜNE CETA ab. Insbesondere das Thema Schiedsgerichte sehen wir sehr kritisch. Darum muss die Bundesregierung CETA zwingend nachverhandeln, weil Privilegien für internationale Investoren in diesem Abkommen nach wie vor vorgesehen sind und damit US-Unternehmen die Möglichkeit erhalten würden, mittels kanadischer Tochterfirmen Schiedsgerichtsverfahren gegen EU-Staaten durchzuführen. Mit der neu gewählten kanadischen Regierung sehen wir eine neue Chance, CETA noch zu verändern.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Untersteller