Frage an Frank Schwarzer von Johannes T. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schwarzer,
wie wir anhand der aktuellen Berichterstattung (FAZ) im Fall Gustl Mollath erfahren, hatte die bayerische Justizministerin Merk nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts hervorgehoben, die StA habe auf ihre Weisung hin die Wiederaufnahme angestrebt.
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/fall-mollath-opposition-fordert-entlassung-merks-12426855.html
Die Grünen warfen der Ministerin vor, den Wiederaufnahmeantrag zu spät angeordnet zu haben.
Genau so gut kann natürlich politischer Druck Staatsanwälte zu Lasten von Kriminalitätsopfern ausbremsen.
Staatsanwälte also noch immer an der Leine der Politik – ein deutscher Skandal
http://www.wiwo.de/finanzen/justiz-wie-politiker-staatsanwaelte-unter-druck-setzen/5301900.html
Und somit ist dieses Kernelement einer Demokratie (unabhängige Justiz) "grundgesetzwidrig" bundesweit noch immer nicht installiert.
Der bestehende Zustand, nämlich die Verwaltung der Dritten Staatsgewalt durch die Zweite, entspricht nicht dem rechtsstaatlichen Gebot der Gewaltenteilung und ist somit verfassungswidrig.
Gewaltenteilung....bedeutet, daß die drei Staatsfunktionen, Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung [Legislative, Exekutive, Judikative], in den Händen gleichgeordneter, in sich verschiedener Organe liegen, und zwar deswegen in den Händen verschiedener Organe liegen müßten, damit sie sich gegenseitig kontrollieren und die Waage halten können.
Diese Lehre hat ihren Ursprung in der Erfahrung, daß, wo auch immer die gesamte Staatsgewalt sich in den Händen eines Organes nur vereinigt, dieses Organ die Macht mißbrauchen wird..." [so Prof. Dr. Carlo Schmid am 08.09.1948 vor der verfassungsgebenden Versammlung (dem Parlamentarischen Rat)].
Was gedenken Sie, Herr Schwarzer, im Falle Ihrer Wahl - und natürlich auch ihre Partei zu tun, diesen GG-widrigen Zustand zu beseitigen und somit unserem Grundgesetz endlich zu seiner ihm gebührenden Geltung zu verhelfen?
MfG
Johannes Thiesbrummel
Sehr geehrter Herr Thiesbrummel,
herzlichen Dank für ihre Anfrage. DIE LINKE hat auf ihrem Parteitag im Juni folgende Resolution zum Fall von Gustl Mollath verabschiedet:
"Der Bundesparteitag der LINKEN fordert die Verantwortlichen im Fall Gustl Mollath auf, sich endlich für die Korrektur des offensichtlich fehlerhaften Urteils einzusetzen. Dieser bayerische Justizskandal muss aufgearbeitet werden und für Gustl Mollath ein gerechtes Ende finden.
Gustl Mollath steht für viele Menschen, die wehrlos einem gutachterlich-juristischen Apparat ausgeliefert sind, weil sie gegen die Friedhofsruhe der Konservativen rebelliert haben. Gustl Mollath hatte das seltene Glück, von unermüdlichen UnterstützerInnen und verantwortungsvollen JournalistInnen an die Öffentlichkeit gebracht zu werden.
Unsere Solidarität gilt den Opfern, die dieses Glück nicht haben."
Im europäischen Maßstab ist Deutschland Schlusslicht bei der Umsetzung der konsequenten Gewaltenteilung und wurde von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates aufgefordert, dem Vorbild der überwiegenden Mehrheit der europäischen Staaten zu folgen und zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz die Selbstverwaltung der Gerichte und Staatsanwaltschaften durch Justizräte zu ermöglichen.
DIE LINKE setzt sich darum auf Bundes- und Landesebene für die konsequente Durchsetzung des Gewaltenteilungsprinzips und Demokratisierung der Justiz ein. Die zu bildenden Justizräte sind parteipolitisch unabhängig und ausschließlich der Umsetzung des grundgesetzlichen Justizgewährungsanspruchs verpflichtet. Die Bestellung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten soll ausschließlich durch Richterwahlausschüsse erfolgen. Dabei ist sicherzustellen, dass die ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten alle gesellschaftlichen Schichten angemessen repräsentieren. Nur eine repräsentative Zusammensetzung der Justiz bietet Gewähr, dass tatsächlich im Namen des Volkes Recht gesprochen wird. Die Stärkung des Rechtsstaates erfordert außerdem eine den Richterinnen und Richtern gleiche Unabhängigkeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.
Ich gebe Ihnen völlig Recht damit, dass wir aus der Geschichte nicht nur lernen können, sondern müssen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist eine Grundlage für den Erhalt der Demokratie - sie ist ein Schutzrecht für uns alle. Was passiert, wenn sie nicht konsequent eingehalten wird, haben wir nicht nur im Fall Gustl Mollath schmerzlich erleben müssen, sondern auch bei den Blockupyprotesten in Frankfurt im Juni, bei den unerträglichen Verurteilungen von Erwerbslosen, die Schwarz fahren müssen, um ihre Termine bei der ARGE wahrnehmen zu können und dann im Gefängnis landen oder bei der Verfolgung von Antifaschist_innen in Dresden. Die Verteidigung unserer Grundrechte steht auf der Tagesordnung.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Schwarzer