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Frage von Thomas B. •

Frage an Frank Schmidt von Thomas B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt!

Sicher können Sie mir ihre Gründe darlegen, weshalb sie zu dem EU-Reformvertrag zugestimmt haben.

Haben Sie den Gesetzestext gelesen bevor sie zugestimmt haben? Bestimmt haben Sie das gemacht.

Beim lesen, was dachten Sie bei dieser Passage:

“(2) Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.”

Besonders c) birgt ein enormes Gefahrenpotential in Bezug auf die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit

Haben Sie dies erkannt? Was ist Ihre Meinung hierzu? Sollte der Text nicht, im Gedanken an das Weiterbestehen der Demokratie, geändert werden, bevor man Ihm zustimmt?

Besonders in Verbindung mit der von der großen Koalition geforderten Möglichkeit, die Bundeswehr im Innern einzusetzen entsteht ein sehr hohes Risiko, dass diese Gesetze missbraucht werden könnten. Sie existieren ja.

Weshalb haben sie, trotz dieses Absatzes, zugestimmt?

Können Sie das mit sich selbst und Ihrer Funktion als Vertreter Ihrer Wähler vereinbaren?

Vielen Dank für Ihre Antwort. Sie machen einen guten Job.

Liebe Grüße,
Thomas Braum

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Braum,

vielen Dank für ihre Frage zum EU-Reformvertrag. Ich bin für den sogenannten Vertrag von Lissabon, da er der Europäischen Union mehr Handlungsfähigkeit, mehr Demokratie und mehr Transparenz gibt und damit auch für die Bürgerinnen und Bürger der EU Vorteile bringt. Sie haben Recht, dass nicht alle Passagen des Vertrages unumstritten waren und sind. Dennoch bin ich nach reiflicher Überlegung zu der Überzeugung gelangt, dass der von Ihnen erwähnte Absatz die Versammlungsfreiheit nicht eingeschränkt. In Artikel 8, Absatz 1 Grundgesetz (GG) heißt es: "(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln." Bei einem "Aufruhr oder Aufstand" im Sinne des von Ihnen erwähnten Absatzes im EU-Reformvertrag handelt es sich allerdings um gewaltsame "Aufstände". Dagegen sieht auch unser nationales Grundgesetz Maßnahmen vor. Hier wird auch Ihre zweite Frage zum Risiko eines Bundeswehreinsatzes im Inneren angeschnitten. Grundsätzlich ist die EU eine Zivilmacht, die sich folgenden Zielen verpflichtet hat: "...Demokratie, Rechtstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Vereinten Nationen und des Völkerrechts." Die EU beugt Konflikten daher aktiv und mit nicht-militärischen Mitteln vor. Die seit 1999 entwickelten operativen Fähigkeiten der EU zum Krisenmanagement werden im Vertrag von Lissabon hervorgehoben und die zivilen Fähigkeiten betont. Die Mehrzahl der EU-Operationen der vergangenen Jahre war (und ist) dementsprechend ziviler Natur (z.B. EUPOL Afghanistan, EUPOL RD Congo, EULEX Kosovo, EU BAM Rafah). Die in Artikel 222 des Vertrages geregelte Solidaritätsklausel wird nicht zum Einsatz der Bundeswehr oder sonstigen Militärs im Inneren führen, die über die bereits geltende Ausnahme im Rahmen der Amtshilfe (vgl. Artikel 35 Grundgesetz) eingesetzt werden darf.
Die SPD hat sich innerhalb der Großen Koalition gegen Bestrebungen der CDU-Minister Wolfgang Schäuble und Franz-Josef Jung eingesetzt, die Bundeswehr im Inneren einsetzen zu können- mit Erfolg: das Auswärtige Amt stellte ausdrücklich klar, "dass die Solidaritätsklausel keinerlei Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthält, die Hilfe anderer Mitgliedstaaten und der Union [im Falle eines Terroranschlags oder einer von der Natur oder einem Menschen verursachten Katastrophe] in Anspruch zu nehmen."

Ich hoffe, Ihnen Ihre Fragen beantwortet zu haben und sende Ihnen Grüße
aus Berlin,

Dr. Frank Schmidt