Frage an Frank Schmidt von Jens O. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt,
ich bin seit mehr als 30 Jahren dem Luftsport verfallen und fliege in meiner Freizeit Segel-und einmotorige Motorflugzeuge. Seit mehr als 15 Jahren bin ich im Rahmen dieser Aktivitäten auch ehrenamtlich in verschiedenen Funktionen der Vereinsführung tätig.
An Sie als Kandidat in meinem Wahlkreis habe ich einige Fragen, deren Beantwortung darüber mitentscheidet, ob Sie meine Stimme (und evtl. die meiner Fliegerkamerad(in)en, deren Familienangehörigen und weiterer Freunde des Luftsports) erhalten werden. Ich möchte Sie hiermit auf 2 aktuelle Punkte ansprechen, die das Leben und die Freizeitgestaltung von rd. 45.000 deutschen ´Privatpiloten´, so der offizielle Begriff der Luftfahrzeugführer, die nicht berufsmäßig fliegen, derzeit massiv einschränken, denn wir Luftsportler ersticken momentan in völlig groteskem Bürokratenwahn.
1. Punkt: Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)
Seit kurzem muß sich jeder Inhaber einer deutschen Pilotenlizenz laut §7 LuftSiG periodisch einer Zuverlässigkeitsprüfung (ZÜP) unterziehen, um nachzuweisen, daß er für dieses Land ein erträgliches Risiko darstellt oder kein potentieller Terrorist ist, dem die Flug-Lizenz entzogen werden muß, um so "den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen" sicher zu stellen. (Zitat aus dem LuftSiG § 1 Zweck)
Man verdächtigt hier also pauschal alle deutschen Piloten, potentielle Terroristen zu sein. Dies ist aber so unbegründet, daß es die Gesetzeslage nicht hergibt, daß die Behörden selbstständig Nachforschungen im Einzelfall anstellen können. Aus dem Grund müssen wir diese Nachforschungen gegen uns selber beantragen. Auf eigene Kosten natürlich! Gleichzeitig wird uns für den Fall, daß wir diese Überprüfung nicht beantragen, damit gedroht, daß die Privatpilotenlizenz widerrufen wird. "Nach § 4 Abs,. 1 LuftVG ist Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis, daß keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bewerbers bestehen. Verweigert ein Luftfahrer die Prüfung seiner Zuverlässigkeit, so begründet dies Zweifel an der Zuverlässigkeit, da für die Bejahung der Zuverlässigkeit eine Überprüfung nach §7 LuftSiG zwingend vorgeschrieben ist. Bei Vorliegen von Zweifel ist gem. § 4 Abs.3 LuftVG die Erlaubnis zu widerrufen." (Zitat aus dem Text des BMI-Erlasses)
Durch diese Vorgehensweise wird die Unschuldsvermutung als wichtigem Rechtsgrundsatz in diesem Lande kurzerhand ausgehebelt und macht jeden gesetzlichen Schutz des unschuldigen Bürgers zu einer Farce.
Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt und was werden Sie nach der Wahl dagegen unternehmen?
Eigentlich heißt es in §17 LuftSiG:
"(1) Das Bundesministerium des Innern regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7, insbesondere
1. die Frist für eine Wiederholung der Überprüfung sowie
2. die Einzelheiten der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten.
..."
Diese Regelung gibt es aber bis zum heutigen Tage nicht! Dennoch sind auf Betreiben des Innenministeriums die Regierungspräsidien angewiesen worden, sofort mit der ZÜP zu beginnen. Das führt zu einer völlig unübersichtlichen Situation und so werden von den verschiedenen RP´s in der Bundesrepublik unterschiedliche Vorgehensweisen in Bezug auf die Überprüfungsperioden und die Kosten praktiziert.
Genauso wenig gibt es die durch den Bundesrat festzulegenden Kriterien, die als Grundlage der Zuverlässigkeitsprüfung dienen sollen. Ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, wie ich mich verhalten muß oder in der Vergangenheit verhalten mußte (!), um jetzt als ´zuverlässig´ eingestuft zu werden. Eine entsprechende Anfrage bei dem für mich zuständigen RP in Darmstadt nach den Zuverlässigkeitskriterien ist leider noch unbeantwortet. Auch hier entscheiden die Behörden offensichtlich völlig frei nach eigenem Gutdünken. Eine Rechtssicherheit gibt es nicht..
Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt und was werden Sie nach der Wahl gegen diese Rechtsunsicherheit unternehmen?
So richtig absurd wird die Sache, wenn man bedenkt, daß deutsche Piloten mit ausländischer Lizenz und ausländische Piloten, die in Deutschland fliegen, nicht überprüft werden.
Bisher gab es übrigens weltweit noch keinen einzigen Terroranschlag von Piloten mit gültiger Lizenz, dagegen jede Menge Anschläge mit PKW, LKW, Rucksack, (Sprengstoff-) Gürtel etc.. Logischer- und konsequenterweise müßten also zunächst alle PKW- und LKW-Fahrer, Rucksack- und Gürtelträger einer ZÜP unterzogen werden. Warum müssen dies nur die Flieger über sich ergehen lassen?
Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt und was werden Sie nach der Wahl dagegen unternehmen, daß nur die Privatpiloten ihre Zuverlässigkeit einer Überprüfung unterziehen lassen müssen?
2. Punkt: "JAR-FCL 3 deutsch"
Hier geht es um die Gesundheitsprüfung der Piloten. Wir Flieger müssen uns in regelmäßigen Abständen - je nach Alter in Intervallen von 5 bis 1 Jahr - unsere Tauglichkeit aus medizinischer Sicht durch einen speziell dazu ausgebildeten und lizensierten Arzt (´Fliegerarzt´) schriftlich bestätigen lassen. Ohne diese ´Fliegerärztliche Tauglichkeitsbescheinigung´ dürfen wir nicht fliegen. Und das, obwohl weltweit statistisch nachgewiesen ist, daß aufgrund mangelnder Gesundheit der Piloten praktisch keine Unfälle verursacht werden. So z.B. entsprechende Untersuchungen in Amerika, die ergaben, daß der Anteil medizinisch verursachter Unfälle bei 0,36 Prozent liegt, die der Ballonfahrer und Segelflieger bei 0,33 Prozent. In anderen europäischen Ländern reicht deshalb lebenslang ein Besuch beim Hausarzt zu Beginn der fliegerischen Ausbildung, der feststellt, ob sein Probant gesundheitlich in der Lage ist ein Flugzeug zu führen oder nicht.
Sei´s drum, wir leben in Deutschland! Mit dieser Regelung leben wir seit Neubeginn der Fliegerei nach dem Krieg und haben damit eigentlich auch kein Problem.
Allerdings ist im Mai 2003 im Rahmen der europäischen Harmonisierung bei uns in Deutschland mit dem neuen Regelwerk "JAR-FCL 3 deutsch" ein monströses bürokratisches Regelwerk auch für uns Luftsportler verbindlich geworden, welches ursprünglich nur für die gewerbliche Luftfahrt vorgesehen war. Das resultiert zum einen aus einer nachweislich falschen Übersetzung (!) des englischen Original-Textes und zum anderen durch die Abschaffung des Medical Klasse 3 (nach den internationalen Regeln der ICAO), was die Lage für den normalen Luftfahrer noch verschärft hat.
So führen nach den neuen Regelungen bei wortwörtlicher Auslegung bereits winzige Kleinigkeiten zur Fluguntauglichkeit und erst nach erneutem - natürlich kostenpflichtigen - Besuch beim Fliegerarzt darf wieder geflogen werden! Nach Meinung einiger Fliegerärzte und Behördenvertreter stellt z.B. eine Betäubungsspritze beim Zahnarzt, eine Grippeimpfung, eine Blutspende einen ´invasiven Eingriff´ - so der Begriff in dem Regelwerk - dar, der zur Untauglichkeit führt. Sogar eine simple Schwangerschaft wird zur Krankheit und führt zur sofortigen Fluguntauglichkeit! Leider scheint noch nicht einmal Herr Dr. Kirklies, Leiter des Referates Flugmedizin im Luftfahrtbundesamt (LBA) in Braunschweig, zu wissen, was denn nun fluguntauglich macht. Und er war maßgeblich an der Einführung dieser Regeln beteiligt. Auf Anfragen von verschiedenen Personen zu einem Sachverhalt sind da leider verschiedene Antworten erfolgt, was die Lage nicht gerade vereinfacht. Eine Rechtssicherheit besteht hier nicht. Was passiert z.B. wenn bei einem der seltenen Luftfahrt-Unfälle eine Versicherung nicht zahlen will und dann versucht, anhand der nicht vorhandenen Rechtssicherheit dem betroffenen Piloten daraus einen Strick zu drehen?
Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt und was werden Sie nach der Wahl gegen diese Rechtsunsicherheit unternehmen?
Selbst der Fliegerarzt-Verband wandte sich gegen die Anwendung der neue Regelung auf die Sportflieger. Aber offensichlich vergebens, denn wie Herr P. Novak, der seit einiger Zeit Mitarbeiter des Referates LS17 im Bundesverkehrsministerium ist, Fliegerärzten gegenüber erklärte, die aus guten Gründen Teile der neuen Bestimmungen kritisieren und auf Änderung drängen, sei dies alles „Gesetz“, also nicht mehr zu ändern, das gelte und Proteste seien sinnlos. Typisch deutsch eben!
Die staatlichen Forderungen an die Gesundheit eines Segelfliegers sind in Deutschland - weltweit einmalig ! - durchaus vergleichbar mit jenen, die an einen jungen und gesunden Jumbo-Kapitän oder an einen Kampfjetpiloten gestellt werden. Piloten, die nach der alten Regelung jahrzehntelang problemlos und unfallfrei ein Segelflugzeug flogen, werden nach den neuen Regeln ´gegroundet´, obwohl sich an ihrem Gesundheitszustand nichts verändert hat! Die alten, erfahrenen Funktionsträger in unseren Vereinen drohen daher auszusterben und für die Jüngeren wird es einfach zu teuer ( mehrere hundert Euro für eine Erstuntersuchung! ), weil sie neuerdings eine perfekte - und damit völlig übertriebene - Gesundheit nachweisen müssen. Die selben Menschen dürfen aber natürlich problemlos weiter Auto fahren.
Weitere Probleme liegen in der Anwendung der neuen Regelungen selbst.
So wird man als Proband dazu genötigt, quasi einen ´Blankoscheck´ für die Kostenübernahme für beliebige, nicht übersehbare Folge-Untersuchungen zu unterschreiben. Bei Weigerung bekommt man kein Medical und darf nicht mehr fliegen. Leider sind schon einige Fälle bekannt geworden, bei denen die Betroffenen maßlos abgezockt wurden. Allein für den Aktenversand durch Behörden wurden schon Beträge von 240 bzw. 650 Euro in Rechnung gestellt. Ärztliche Zusatzuntersuchungen liegen nicht selten im vierstelligen Bereich.
Ein weiteres Problem liegt im Datenschutz. Da wird man als Proband gezwungen, neben Fragen zu den eigenen medizinischen und persönlichen Verhältnissen, medizinische Daten von nahen Verwandten, das Verhältnis zu Versicherungen, ... (es gibt da einen Fragenkatalog mit fast 100 Fragen den Sie sich mal anschauen sollten) zu beantworten. Das wäre nicht so schlimm, wenn die Daten beim Arzt selber entsprechend seiner Schweigepflicht verbleiben würden. Leider wurde auch diese durch die neuen Regeln ausgehebelt, was nicht nur das Vertrauen in den Arzt zunichte macht. Der Fliegerarzt übermittelt den Behörden zwangsweise nicht nur den Bescheid ob jemand tauglich ist, nein, er muß den Behörden das Ergebnis des gesamten Fragenkataloges und die Befunde schriftlich und zusätzlich auch noch elektronisch per Computer übermitteln. Hier werden also die ärztlichen Schweigepflicht und der Datenschutz untergraben.
Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt und was werden Sie nach der Wahl gegen die Untergrabung der Ärztlichen Schweigepflicht und des Datenschutzes in diesem Zusammenhang unternehmen?
Auch ist völlig unklar, was mit den Daten in den Behörden selbst geschieht, wie diese gespeichert werden, wer darauf Zugriff hat.
Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt und was werden Sie nach der Wahl unternehmen um den Datenschutz zu gewährleisten und den Mißbrauch der Daten zu verhindern?
Soweit die beiden Problempunkte und die konkret daraus resultierenden Fragen.
Zu Ihrer Information: vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Umstände flaggen zur Zeit sehr viele deutsche Piloten aus. Das heißt, sie lassen im benachbarten Ausland ihre deutschen in österreichische, schweizerische, tschechische etc. Lizenzen umschreiben und fliegen mit diesen Lizenzen wieder legal in Deutschland. Erstens ist es deutlich preiswerter und zweitens absolut problemlos, legal und ein eleganter Weg, dem deutschen Bürokratismus zu entgehen. Die Zulassungsbehörden werden also in Zukunft deutlich weniger zu tun bekommen.
Ob das im Sinne des Erfinders der bürokratischen Lösungen war?
Aber es ist wohl ein Wesenszug von uns Deutschen, daß wir meinen, ein Verbrechen einfach verbieten zu können. Man kann aber einen Banküberfall nicht dadurch verhindern, daß man vor die Bank ein Halteverbotsschild stellt und davon ausgeht, daß sich auch der Bankräuber daran hält. Und ein zweites, wenn wider Erwarten doch ein Einbruch geschehen ist.
So geschehen in Berlin nach dem Selbstmord des UL-Piloten, denn der Luftraum über Berlin war auch in der Vergangenheit nur nach Freigabe durch die Deutsche Flugsicherung (DFS) befliegbar. Die Einrichtung einer Flugverbotszone war deshalb unsinnig. Aber selbst der diesbezügliche Rat der DFS wurde des Populismus wegen nicht gehört.
Dieses wird augenscheinlich nicht gesehen und man gaukelt der Bevölkerung mit völlig unsinnigen und fachlich völlig untauglichen Maßnahmen eine trügerische Sicherheit vor, die es so nicht gibt. Frei nach dem Motto "Wir haben doch alles getan und waschen unsere Hände jetzt in Unschuld" .
In diesem Zusammenhang sei an die Einrichtung der Sperrgebiete um die deutschen AKW´s für Sichtflieger erinnert. Die haben dazu geführt, daß jetzt jeder potentielle Terrorist mit Internetzugang die genauen GPS-Koordinaten der deutschen AKW´s aus dem Internet herunterladen kann, da sie dort ordnungsgemäß veröffentlicht wurden damit diese von den gesetzestreuen Piloten auch umflogen werden können. Welch ein Sicherheitsgewinn!
Die Gesetzgebungen zum Thema "Anti-Terror" basieren größtenteils auf einem gestörten Vertrauensverhältnis des Staates bzw. seiner Verwaltungsorgane gegenüber seinen Bürgern. Ich finde diese Einstellung sehr bedenklich. Dieser latente Generalverdacht gegenüber der Gesellschaft bzw. einzelnen Gruppen (in diesem Fall Sport- und Privatpiloten) ist unerträglich. Wenn Sie sich die Eingriffe in das öffentliche und private Leben der letzten vier Jahre im Gesamtbild ansehen, wird hier an den Fundamenten eines freiheitlichen Rechtstaates gerüttelt.
Stellen Sie sich vor eine künftige, radikale Regierung findet solche "Notstandgesetze" bereits vor, ist das nicht angsteinflößend?
Soweit meine - nun leider doch sehr umfangreich gewordenen - Ausführungen. Vielen Dank dafür, daß Sie sie bis hierher gelesen haben.
Benötigen Sie zur Meinungsbildung weitere Hintergrundinformationen? Ich lasse Sie ihnen gerne zukommen.
Ich lade Sie hiermit herzlich zu einem kleinen Rundflug über Ihren Wahlkreis ein, damit Sie sich persönlich davon überzeugen können, daß wir keine Terroristen sind, sondern normale Menschen, die nur um ihre freiheitliche Grundrechte fürchten. Eine gute Gelegenheit dazu wäre unser alljährliches Flugplatzfest, das in diesem Jahr an dem Wochenende 27. + 28. August auf dem Flugplatz Anspach/Ts. stattfindet. Wie in den vergangenen Jahren rechnen wir wieder mit mehreren tausend Besuchern, die wir natürlich auch auf unsere Probleme aufmerksam machen werden.
Ich sehe Ihren Antworten erwartungsvoll entgegen und mit mir sicherlich auch die rund 500 Luftsportler, die in den Luftsport-Vereinen Ihres Wahlkreises aktiv sind.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Olbrich