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Frage von Patricia S. •

Frage an Frank Jahnke von Patricia S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Jahnke,

mit Interesse habe ich auf Ihrer Homepage gelesen, dass einer Ihrer Schwerpunkte die berufliche Bildung ist. Ich arbeite selbst in einem Unternehmen mit den unterschiedlichsten Bildungsniveaus und bin hier im Bereich Training/Knowledge Management tätig. Unser Betrieb bildet seit einiger Zeit aus und in der Arbeit mit den Auszubildenden konnte ich teilweise gravierende Bildungslücken erkennen.

Sie stellen fest, dass in Berlin mehr als die Hälfte der jugendlichen Arbeitslosen unter 25 über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt. Mich würde daher brennend interessieren, wo Sie mit einer Ausbildungsoffensive ansetzen möchten. Betriebe können mitunter nicht ausbilden, da es Bewerbern schon an einer ausreichenden Allgemeinbildung mangelt, ganz zu Schweigen von orthographischen Fähigkeiten.

Wo müssen Ihrer Meinung nach Schulen ansetzen? Wo das Elternhaus? Planen Sie unterstützende Maßnahmen für Betriebe? Kurzum ... wie könnte eine Ausbildungsoffensive konkret aussehen?

Vielen Dank und viele Grüße
Patricia Stach

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Stach,
eine Ausbildungsoffensive für Berlin muss an drei Stellen ansetzen:

1. Es müssen mehr Betriebe für die Ausbildung ihres eigenen Nachwuchses gewonnen werden. Es ist ein Armutszeugnis für unsere Volkswirtschaft, wenn weit weniger als die Hälfte aller ausbildungsfähigen Betriebe Verantwortung für die Ausbildung von Jugendlichen übernehmen wollen. Für Betriebe, die nicht das gesamte Spektrum eines Ausbildungsberufes selber anbieten können, muss die Verbundausbildung weiter ausgebaut werden. Insbesondere bei Betrieben mit Migrationshintergrund wird bei weitem noch nicht das vorhandene Potential ausgeschöpft, da das hiesige duale System der Berufausbildung oftmals bei Unternehmern, die aus anderen Ländern kommen, nicht hinreichend bekannt ist.

2. Die Vorbereitung der Jugendlichen auf das Berufsleben muss bereits in der Schule deutlich verbessert werden. Das vor zwei Jahren novellierte Berliner Schulgesetz bietet hervorragende Möglichkeiten einer stärkeren Vernetzung von Schulen mit dem Wirtschaftsleben, die nun konsequent genutzt werden müssen. Es kann nicht sein, dass im Stundenplan "kein Platz" mehr für praxis- und berufsorientiertere Unterrichtsinhalte ist, nur weil der althergebrachte Fächerkanon quasi für "sacrosankt" erklärt wird, die nächste Klassenarbeit ja auch ihren abfragbaren "Stoff" braucht, und ähnliches. Andere Länder in Europa zeigen uns durchaus, wie fachliche Schwerpunktsetzungen lohnender für die Lernenden sein können, als ein Vollständigkeitswahn, bei dem Wissen in einer großen fachlichen Breite angeboten wird, aber am Ende nur sehr wenig in den Köpfen hängen bleibt.

3. Doch auch bei einem umfassend verbesserten Schulsystem wird es kaum möglich sein, alle Jugendlichen zur Ausbildungsreife zu führen. Ein bestimmter Prozentsatz wird vermutlich nach wie vor starke Unterstützung benötigen, um eine Berufsausbildung absolvieren zu können. Hierfür die entsprechenden Angebote vorzuhalten, ist eine staatliche Aufgabe (beispielsweise Programme wie MDQM oder ausbildungsbegleitende Hilfen u.ä.), denn wir können es uns nicht erlauben - weder sozialpolitisch noch vom längerfristigen Arbeitsplatzbedarf her betrachtet - Teile einer Generation einfach brach liegen zu lassen. Abschließend noch einige Worte zu den von ihnen angesprochenen Kompetenzdefiziten bei den Lehrstellenbewerbern: Zahlreiche Studien belegen in der Tat, dass es bei Schulabgängern oftmals große Schwächen in elementaren Fähigkeiten wie in den Grundrechenarten oder der Orthographie wie auch bei den sog. "Sekundärtugenden" wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und in den Umgangsformen gibt. Hier liegt eine große Herausforderung für unser Schulsystem, zu der ich oben schon einiges gesagt habe. Ich würde aber dieses Problem nicht mit der Frage der jährlich auftretenden, eklatanten Ausbildungsplatzlücke in Zusammenhang bringen. Die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten zeigt deutlich, dass Unternehmen immer dann sehr wählerisch sind, wenn sie aus einer großen Zahl von Bewerbern aussuchen können. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es in Einzelfällen mitunter auch nicht gelingt, einen geeigneten Bewerber zu finden. Doch dies erklärt in keiner Weise das Ausmaß der Ausbildungslücke, wie ein schlichter Blick auf die jährlichen Zahlen belegt.
Das Problem zu weniger betrieblicher Ausbildungsplätze lässt sich nicht auf die Jugendlichen oder auf die Schulen schieben, sondern ist ein originäres Problem der Wirtschaft. Hier eine Lösung zu finden, wird zur Existenzfrage für das duale System der Berufsausbildung.
Mit freundlichen Grüßen

Frank Jahnke, MdA