Florian Muhl
DIE LINKE
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Frage von Anna M. •

Frage an Florian Muhl von Anna M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Muhl,

Seit dem „Cannabis-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts kann Erwerb und Besitz von geringen Mengen Cannabis zum Eigenverbrauch nach Ermessen der Strafverfolgungsbehörden von einem Strafverfahren abgesehen werden.
Dies führt besonders in der fall- und bundesland-abhängigen Handhabung zu mir nicht ganz einleuchtenden fast willkürlichen Bemessungen. Auch wenn der Erwerb und der Besitz "kleiner" Mengen nicht strafrechtlich verfolgt wird, gibt es zudem keinen Weg dessen "legaler" Beschaffung.
Im letzten Jahr sorgte der Beschluss des Bezirksparlaments Friedrichshain-Kreuzberg zur Eröffnung eines Coffeschops als Mittel zum Kampf gegen den Drogenhandel für kontroverse Diskussion. Gerne würde ich Ihre Haltung zu diesem Themengebiet erfahren.

1) Wie Sinnvoll sehen Sie ein Modellprojekt wie die Bestrebungen des Berliner Bezirkes? Wäre ein ähnliches Projekt auch in Hamburg denkbar?

2) Die Kategoriesierung von nicht verkehrs- und verschreibungsfähigen Substanzen des BtMG umfasst eine Vielzahl berauschender Substanzen unterschiedlicher Wirkung. Wie stehen Sie zu dieser Kategorisierung?

4) Welche Reformen halten Sie in diesem Themen-Bereich für notwendig?

Vielen Dank Vorab!

Antwort von
DIE LINKE

*1) Wie Sinnvoll sehen Sie ein Modellprojekt wie die Bestrebungen des Berliner Bezirkes? Wäre ein ähnliches Projekt auch in Hamburg denkbar?*

Ich halte Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis wie das in Friedrichshain-Kreuzberg entstehende für sehr sinnvoll und längst überfällig. Es wäre ohne weiteres auch in Hamburg denkbar. In unserem Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl fordern wir als Hamburger LINKE die Schaffung der rechtlichen Möglichkeiten zur Gründung von nicht profitorientierten Cannabis-Clubs für den Eigenverbrauch.

Die derzeitige auf Prohibition (Verhinderung) gerichtete Drogenpolitik ist gescheitert und kann so nicht weiter betrieben werden (vgl. dazu den Bericht der Weltkommission für Drogenpolitik aus dem Jahr 2011: http://www.globalcommissionondrugs.org/wp-content/themes/gcdp_v1/pdf/Global_Commission_Report_German.pdf ).
Sie verursacht horrende Kosten durch die Strafverfolgung. (Nach den Ergebnissen einer Studie aus dem Jahre 2010 wurden in der BRD im Jahr 2006 im Zusammenhang mit illegalen Drogen zwischen 3,5 und 4,5 Milliarden EUR ausgegeben; der Löwenanteil dabei in den repressiven Bereichen Polizei (1,68-2,17 Mrd. EUR), Gerichte (1,2 Mrd. EUR) und Strafvollzug (486,3-849,5 Mio. EUR) ( https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0029-1243212.pdf , S.5). Das Geld wäre in Aufklärungs- und Beratungsprogrammen wesentlich sinnvoller angelegt.
Die gegenwärtige Drogenpolitik führt auch dazu, dass viele Drogen nur auf dem Schwarzmarkt zu haben sind und die Konsumenten häufig gesundheitsschädliche Streckmittel zu sich nehmen. Zudem entgehen den öffentlichen Kassen mögliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Resolution von über 120 Strafrechtsprofessoren und -professorinnen an den Deutschen Bundestag aus dem Jahr 2013 verweisen: http://www.schildower-kreis.de/themen/Resolution_deutscher_Strafrechtsprofessorinnen_und_%E2%80%93professoren_an_die_Abgeordneten_des_Deutschen_Bundestages.php . In dieser Resolution wird begründet dargelegt, dass und wie die Prohibitionspolitik die Bürger und die Gesellschaft schädigt und warum sie dringend beendet werden muss.

*2) Die Kategoriesierung von nicht verkehrs- und verschreibungsfähigen Substanzen des BtMG umfasst eine Vielzahl berauschender Substanzen unterschiedlicher Wirkung. Wie stehen Sie zu dieser Kategorisierung?*

Das Betäubungsmittelgesetz muss dringend auf den Prüfstand, wie es auch in einem gemeinsamen Antrag der Fraktion der LINKEN und der Grünen im Bundestag gefordert wurde (vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/016/1801613.pdf ).

*4) Welche Reformen halten Sie in diesem Themen-Bereich für notwendig?*

Ich vertrete die im Parteiprogramm der LINKEN aus dem Jahr 2011 zur Drogenpolitik formulierte Position:

„Die Unterscheidung in legale und illegalisierte Substanzen ist willkürlich. Drogen sowie deren Missbrauch können zu schweren gesundheitlichen, sozialen und materiellen Problemen führen. Wir treten daher für eine rationale und humane Drogenpolitik ein, was eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums und langfristig eine Legalisierung aller Drogen beinhaltet. Das bedeutet die Entkriminalisierung der Abhängigen und die Organisierung von Hilfe und einer legalen und kontrollierten Abgabe von Drogen an diese. Im Grundsatz wollen wir eine Gesellschaft, die nicht auf Strafe und Repression gegen Drogenkonsumentinnen und -konsumenten setzt, sondern mit Prävention und Aufklärung dem Drogenmissbrauch vorbeugt.“

Dass die Entkriminalisierung illegaler Drogen nicht zu einem Anstieg des Drogenkonsums führen, zeigen die Entwicklungen in Portugal, wo im Jahr 2001 Konsum und Besitz aller illegalen Drogen entkriminalisiert wurde. An dieser Praxis sollte sich auch hierzulande orientiert werden.

Der Anbau von Cannabis für den eigenen Bedarf sollte legal möglich sein. Der Drogenmarkt sollte gesetzlich sinnvoll reguliert werden, um ihn der organisierten Kriminalität zu entziehen. Es sollten verstärkt Präventions- und Aufklärungsprogramme finanziert werden und es müssen Therapieangebote für alle bereitgestellt werden, die sie benötigen.

Ziel einer sinnvollen Drogenpolitik muss ein verantwortungsvoller Umgang mit Drogen insgesamt sein. Auch Alkohol und Nikotin können gesundheitlich verheerende Auswirkungen haben. Da diese Drogen aber legal sind, wird der Eindruck erzeugt, ihr Konsum sei unproblematischer als der von illegalisierten Substanzen. Diese Doppelmoral muss dringend überwunden werden.