Frage an Florian Hahn von Martin B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Hallo Herr Hahn,
nun bekommt ein unangenehmes Thema Rückenwind, schneller als erhofft: Anstelle Eurobonds für überschuldete und nicht wettbewerbsfähige EU-Mitglieder wird der Ruf nach Coronabonds immer lauter.
Die Vertiefung der Schuldenunion darf auf keinen Fall stattfinden, soll der Frieden in Europa gewahrt werden. Zwei Jahrzehnte nun mussten wir der schwindenen Wettbewerbsfähigkeit einiger Nachbarländer zusehen, die sich durch künstlich erniedrigte Zinsen über Wasser hielten. Dennoch gibt es Target2 Salden in Billionenhöhe, die niemals zurück gezahlt werden können.
EU-Bonds stellen eine kontinieruliche Alimentierug dar, die die Selbstheilungskräfte der Regierungen und auch Unternehmen in diesen Ländern wirksam unterdrücken. Kommt nun eine ausgeweitete Schuldenhaftung durch andere EU Staaten, wird der Frieden nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Schuldzuweisungen, Neiddebatten werden die EU in eine schwere Krise führen (Italien: Eigenheimquote 72%, Deutschland: 51%). Sie wissen, was ich meine, dies ist nur ein Beispiel. Die finanzielle Repression wird weiter gesteigert, die Menschen fürchten um ihren Wohlstand im Alter.
In der aktuellen Krise zeigt sich auch wieder mal die Handlungsunfähigkeit der EU bei wichtigen Themen, wir brauchen sie schon lange nicht mehr. Der Wunsch zurück zur EWG zu gelangen, ist größer denn je. Wir beneiden das Vereinigte Königreich, haben sie doch rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge gezogen.
Wie steht die Union dazu? Wann fordern Sie vehement die Ablehnung von Euro-(Corona-)Bonds und möglicherweise den Austritt aus der EU?
Mit freundlichen Grüßen
M. B.
Sehr geehrter Herr Brandt,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Oft im Leben zeigt es sich erst in schwierigen Zeiten, wie echt, verlässlich
und stabil eine Freundschaft/ Partnerschaft ist.
In der Corona-Krise ist Solidarität in Europa das Gebot der Stunde. Wir
werben für einen Dreiklang zum einen aus Mitteln des Europäischen
Rettungsfonds (ESM), zum anderen aus Krediten der Europäischen
Investitionsbank (EIB) und Geldern aus der vorgeschlagenen
Arbeitslosenrückversicherung (SURE). Länder wie Italien und Spanien, die von
der Krise hart getroffen sind, sollen mit Krediten aus dem ESM bei der
Folgenbekämpfung unterstützt werden.
Damit die Mittel kurzfristig in Anspruch genommen werden können müssen
entsprechende Voraussetzungen geschaffen bzw. die Bedingungen angepasst
werden. Das bedeutet konkret, dass die Europäische Investitionsbank (EIB)
gestärkt werden muss, damit sie nach dem Vorbild der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) effizient kleinere und mittlere Unternehmen in der Krise
stützen kann. Auch befürworten wir die SURE-Initiative von Frau Ursula von
der Leyen als befristete Hilfe in einer Notsituation. So kann Europa dazu
beitragen, den durch die Krise hart getroffenen Menschen mit Kurzarbeit eine
Brücke zu bauen. Für alle Maßnahmen gilt: die Umsetzung muss zeitnah
erfolgen, damit die Hilfe schnell ankommt.
Die sogenannten Corona-Bonds erfüllen weder diese Bedingungen, noch könnten
sie schnelle Hilfe darstellen. Sie sind zum einen mit den geltenden
Verträgen nicht vereinbar und stehen zum anderen für eine gegenseitige
europäische Schuldenhaftung. Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion würden
Corona-Bonds lediglich zu maximaler Rechtsunsicherheit und neuen
Verwerfungen innerhalb der Eurozone führen dabei bleibt für langwierige
Rechtsänderungen keine Zeit. Diese Haltung hat der Geschäftsführende
Fraktionsvorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am vergangenen Freitag
(3.4.2020) nochmals bekräftigt.
Ihre Haltung bezüglich eines Austritts aus der EU teile ich nicht. Trotz
aller Krisen ist Europa ein einzigartiges Erfolgs- und Friedensprojekt,
dessen Errungenschaften nur zu oft unterschätzt werden. Nie in der
europäischen Geschichte zuvor gab es eine längere Phase des friedlichen
Zusammenlebens. Der europäische Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten
freier Warenverkehr, Personenfreiheit, Dienstleistungsfreiheit, freier
Kapital- und Zahlungsverkehr und einem starken Verbraucherschutz hat für
wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand gesorgt. Die Europäische Union ist
Wertegemeinschaft und Kraftzentrum zugleich. Seit Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft wurden gewaltige Fortschritte erzielt. Diese Erfolge
dürfen nicht verspielt werden, auch nicht in Krisenzeiten. Wir, die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wollen diese vielmehr festigen und verstetigen.
Deswegen steht ein Austritt aus der EU nicht zur Debatte.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Hahn