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Florian Hahn
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Frage von Ralf B. •

Frage an Florian Hahn von Ralf B.

Sehr geehrter Herr Hahn:

in Bezug auf die Abstimmung für das 3. Hilfspaket für Griechenland bitte ich um Beantwortung der folgenden Frage:

Halten Sie es im Sinne der deutschen Steuerzahler für vertretbar, einem Staat, der so gut wie keine der bisher vereinbarten Reformen umgesetzt hat, wieder Kredite zu bewilligen, im Glauben, die kürzlich vereinbarten (noch härteren) Reformen werden nun auch wirklich umgesetzt?

Eine kurze Antwort würde mir völlig ausreichen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und freundliche Grüsse,

Ralf Bucher

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Bucher,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 17. Juli dieses Jahres, in dem Sie sich zur griechischen Schuldenkrise äußern.

Ich bin mir bewusst, dass viele, gerade wirtschaftlich sachkundige und politisch interessierte Bürger, so denken wie Sie. Auch ich hatte lange Zeit große Sympathie für eine solche, auf den ersten Blick klare Entscheidung, die – bei aller augenblicklichen Härte – vielleicht auf längere Sicht Griechenland über eine abgewertete Drachme Chancen auf wirtschaftliche Gesundung eröffnet hätten. Die Verärgerung über das Auftreten einiger griechischen Politiker, der Abbruch der Verhandlungen in Brüssel, die Umstände und der Ausgang des überstürzt angesetzten Referendums sowie der weitgehende Verlust von Vertrauen in die Zusagen der griechischen Regierung ließen auch mir das zeitweise Ausscheiden von Griechenland aus dem Euro als sinnvolle Lösung erscheinen.

Gleichwohl habe ich nach Bewertung des Verhandlungsergebnisses vom 12./13. Juli 2015 dem Antrag der Bundesregierung auf ein Verhandlungsmandat über Stabilitätshilfe vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für Griechenland zugestimmt. Ich halte den jetzt beschrittenen Weg zwar nicht für alternativlos, meine aber doch, wie die Bundeskanzlerin, dass nüchtern betrachtet die Vorteile einer Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Euro die Nachteile überwiegen. Die Kanzlerin und der Finanzminister haben Beachtliches geleistet: Die weitere Hilfsgewährung ist von konkreten, harten Reformen abhängig, die in entscheidenden Elementen schon jetzt nachprüfbar auf den Weg gebracht werden müssen. Das entspricht dem auch von mir immer für zentral gehaltenen Grundsatz, dass es Solidarität nur bei Eigenverantwortung geben kann. Dieser Kurs war bereits in Portugal, Irland oder Spanien erfolgreich. Zugleich war immer zu bedenken, dass auch ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion beträchtliche finanzielle Verluste, Turbulenzen und mit Sicherheit einen Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft mit sich gebracht hätte – was in der Boulevardpresse und bei manchen einseitigen ökonomischen Modellrechnungen häufig unterschlagen wird. Zudem wären die weiteren Folgen für den Euroraum als Ganzes und die deutsche Wirtschaft kaum kalkulierbar gewesen – von möglichen geopolitischen Folgen für die Stellung Europas in der Welt ganz zu schweigen.

Griechenland hat am Ende nach 17-stündigen Verhandlungen eine umfassende Reformliste akzeptiert, mit noch härteren Auflagen als bisher. Darauf haben nicht zuletzt die Länder gedrungen, die erfolgreich strenge Reformprogrammes durchgeführt haben und die zu Recht Sonderkonditionen für Griechenland ablehnten: Das Land muss als Sicherheit für die neuen Hilfen einen unabhängigen und von der EU kontrollierten Treuhandfonds einrichten, in den Staatseigentum in Höhe von 50 Mrd. Euro zur Privatisierung überführt wird. Die sog. Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission wird weiterhin den Reformprozess kontrollieren. Neben einer Mehrwertsteuererhöhung verpflichtet sich Athen, entschlossener Korruption und Steuerhinterziehung zu bekämpfen, eine umfassende Rentenreform durchzuführen und seine gesamte Staatsverwaltung – unter der Aufsicht der EU-Kommission – zu reformieren. Dazu gehört u. a. ein funktionierendes Katasterwesen mit Grundbüchern. Auch weitgehende Reformen am Arbeitsmarkt und mehr Wettbewerb im Energiesektor sind vereinbart. Sämtliche diesbezüglichen gesetzgeberischen Maßnahmen sind dabei frühzeitig und vor Verabschiedung im Parlament eng mit den europäischen Institutionen abzustimmen.

Dabei war es angesichts des großen Vertrauensverlustes richtig, dass Griechenland schnell in Vorleistung gehen musste: Ministerpräsident Tsipras hat bislang insoweit Wort gehalten, als es ihm gelungen ist, innerhalb der vereinbarten 48 Stunden eine Grundsatzzustimmung zum Reformprogramm und die vier ersten, prioritären Maßnahmen im griechischen Parlament verabschieden zu lassen (Vereinheitlichung und Erhöhung Mehrwertsteuer, Senkung Rentenausgaben, Garantie der Unabhängigkeit der Statistikbehörde, Implementierung der Bestimmungen des Fiskalvertrages), mit breiter Unterstützung auch der Opposition. Neben diesen unabdingbaren Reformen war für meine Entscheidung auch das Investitionselement des Pakets wichtig: Die EU wird ein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Mrd. Euro auflegen. Nur wenn die Unternehmen Anreize bekommen, wieder zu investieren kann ihr Engagement die griechische Wirtschaft beleben, das Wachstum steigern und Hoffnung bieten, dass die Krise dauerhaft über-wunden wird.
Es ist jetzt von zentraler Bedeutung, dass Griechenland beginnt, das verlorene Vertrauen durch konkretes Handeln, messbare Reformen und Vertragstreue wieder aufzubauen. Wenn die Griechen die Mammutaufgabe eines Neuaufbaus ihres Staates wirklich entschlossen anpacken, können sie mit unserer uneingeschränkten Hilfe rechnen. Das ist für uns Deutsche, die wir nach dem zweiten Weltkrieg viel Solidarität von anderen europäischen Nationen und den USA erfahren haben, selbstverständlich.

Ihr Florian Hahn MdB

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