Frage an Florian Hahn von Stefan S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Hahn,
Sie haben bei der Abstimmung über das Gesetz zur Beschneidung von Jungen mit "Ja" gestimmt.
Dieses Abstimmungsverhalten ist falsch, Sie hätten mit "nein" stimmen sollen.
Es treffen hier zwei Grundrechte aufeinenader, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit gem Art. 2(2) GG und das Recht auf freie Religionsausübung gem Art. 4 GG.
Also muss abgewogen werden, welches das höherrangige Recht ist. Es steht für mich ausser Zweifel, dass dies das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist. Diese ist "objektiv", es kann hier keinen Zweifel geben, dass diese im Falle der Beschneidung verletzt wird.
Die freie Religionsausübung ist für mich ein "subjektives" Recht, man glaubt an ein höheres Wesen, oder nicht.
Was ist, wenn es keinen Gott gibt?
Dann haben Sie einem Gesetz zugestimmt, mit dessen Hilfe völlig überflüssigerweise in die körperliche Unversehrtheit eingegriffen wird. Können Sie das wirklich mit Ihrem Gewissen vereinbaren?
Richtig wäre ein Gesetz gewesen, dass dem jungen Mann mit 14 Jahren selbst die Entscheidung überlässt.
Zum Schluss noch eine Polemik, aber denken Sie trotzdem darüber nach: Wie werden Sie abstimmen, wenn mit der gleichen Begründung ein Gesetz über die Beschneidung von Mädchen vorgelegt wird?
Viele Grüße
Stefan Stöberlein
Sehr geehrter Herr Stöberlein,
vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal abgeordnetenwatch.de.
Der Koalition ging es darum, mit hohem Respekt vor den Religionen und auf schnellstmögliche, besonnene und verantwortungsvolle Weise wieder Rechtssicherheit zu schaffen.
Das Gesetz berücksichtigt, dass nach dem Grundgesetz die Erziehung von Kindern in erster Linie in der Verantwortung ihrer Eltern liegt. Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt, nämlich dann, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Die Beschneidung ist einer der weltweit am meisten vorgenommenen medizinischen Eingriffe. Sie gefährdet das Kindeswohl nach heutigem Wissensstand in der Regel nicht, wenn bestimmte Voraussetzungen greifen. Diese definiert das Gesetz für die Zukunft.
Eine der Voraussetzungen ist, dass in der Regel nur Ärzte den Eingriff vornehmen dürfen. Darüber hinaus dürfen auch Personen, die von Religionsgemeinschaften dafür vorgesehen werden, beispielsweise jüdische Mohalim, in den ersten sechs Lebensmonaten einen Jungen beschneiden. Sie müssen jedoch speziell ausgebildet und für den Eingriff so befähigt sein wie ein Arzt. Der Eingriff ist nicht erlaubt, sollte damit das wohl des Kindes gefährdet werden.
Mit dem Gesetzentwurf liegt eine ethisch überzeugende und verfassungskonforme Antwort auf die Fragen vor, die das Urteil des Landgerichts Köln aufgeworfen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Florian Hahn