Florian Bätz
DIE LINKE
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Frage von Stephy B. •

Frage an Florian Bätz von Stephy B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Bätz!
1. welche konkreten Ideen haben Sie zum Thema "Qualität" in bayrischen Kitas? Ich bin immer wieder verärgert, verwundert, erstaunt, warum das scheinbare Bildungsland Bayern in der frühkindlichen Bildung im Bereich Qualität so schlecht abschneidet.
2. wie sieht für Sie eine kindorientierte, zukunftsorientierte Pädagogik und welche Bildungsbereiche halten Sie hier für zentral?
Herzliche Grüße.

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau B.,
zunächst einmal vielen lieben Dank für Ihre Frage. Tatsächlich sind Sie die erste Person, welche mir hierrüber eine Frage stellt. Weiterhin sprechen Sie damit natürlich ein überaus wichtiges Thema an. Die Qualität in Kitas und Kindergärten hängt natürlich maßgeblich von der Fachlichkeit des Personals ab. Gerade im sozialen Bereich ist es aus meiner eigenen Erfahrung heraus wichtig mit der Zeit zu gehen und sich durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen stehts auf dem Laufenden zu halten, was die eigene Fachlichkeit angeht, denn die Wissenschaft, gerade auch im frühkindlichen Bereich, schläft nicht. Dies kann man, wie Sie bestimmt schon mitbekommen haben, von unserer Landesregierung nicht behaupten. Das es noch so läuft, wie es läuft ist vielerorts nur dem Engagement der Fachkräfte vor Ort zu verdanken. Denn viele Einrichtungen klagen schon lange über den schlechten Betreuungsschlüssel, die zu geringe Bezahlung und die dürftigen Weiterbildungsmöglichkeiten. Eltern hingegen leiden unter den hohen Kosten, dem oftmals dürftigen Angeboten in den Einrichtungen, sowie unter den unflexiblen Betreuungszeiten und nicht zuletzt unter den zu wenigen Plätzen, sowie langen Wartelisten.
Der Ausbau an Betreuungsplätzen ist deshalb ein Kernziel für mich. Gerade Frauen und/oder finanziell schwächere Menschen geraten hierbei häufig unter Druck und sind einer doppelten Belastung ausgesetzt, weshalb diese auch kostenlos angeboten werden müssen (Das Geld ist hier besser aufgehoben, als im bayerischen Raumfahrtprogramm). Damit jedoch nicht der Betreuungsschlüssel darunter leidet, ist es auch wichtig, dass die Erzieher*innen so entlohnt werden, dass es ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für die Zukunft der Kinder, gerecht wird. Dies steigert dadurch häufig auch das Ansehen des Berufs und führt dann auch zu einer höheren Ausbildungsquote. Auch bei Männern, welche hier leider immer noch unterrepräsentiert sind. Doch gerade auch für Kinder aus alleinerziehenden Settings, aber auch für alle anderen Kinder ist Diversity was das Geschlecht der Erzieher*innen, aber auch in den anderen Bereichen (z.B. Interkulturalität) enorm wichtig und nicht zu unterschätzen. Kinder möchten sich zuordnen können. Wichtig ist hierbei, dass ihnen verschiedene Formen von Männlichkeit und Weiblichkeit vermittelt werden, also gendersensibel/genderreflektiert gearbeitet wird und somit mit Rollenbildern gebrochen wird, in der Arbeit mit Kindern als reine weibliche Tätigkeit bewertet wird.
Weiterhin ist die Erzieher*innenausbildung mittlerweile, was die Qualität angeht, auf einem so hohen Level, dass sie, so ungerne ich das als Sozialarbeiter auch zugebe, einem Sozialarbeitsstudium sehr ähnlich ist. Doch wie Sie ja schon beschrieben haben, gelingt dieser Transfer in der Praxis leider viel zu selten. Dies liegt meiner Meinung auch daran, dass es für Beschäftigte in Bayern leider viel zu schwer ist eine Weiterbildung zu machen. In Thüringen haben die Beschäftigten unter anderem einen Anspruch auf Bildungsurlaub. Ebenso müssen die Arbeitnehmer*innen diese Weiterbildungen oft selbst bezahlen, was viele Menschen davon abhält. Wir sind jedoch der Meinung, dass (Weiter-)Bildung nicht nur einen Gewinn für das Unternehmen, sondern auch für die Gesellschaft im Allgemeinen darstellt. Das Land und die Arbeitgeber sollten somit ein großes Interesse an der Weiterbildung der Beschäftigten haben und diese auch finanziell unterstützen.
Inklusion und Diversity sind für mich zwei der wichtigsten Themen in Kitas und Kigas. Studien zeigen eindeutig, dass Kinder in Einrichtungen, welche sich diesen beiden Themen widmen über höhere soziale Kompetenzen verfügen als die Kinder aus den Vergleichsgruppen. Damit Inklusion jedoch nicht in Überforderung der Kinder, Pädagogen und Eltern mündet braucht es jedoch einen höheren Betreuungsschlüssel, bessere Qualifikation (auch und gerade beim Lehrpersonal) und zusätzliche Sonderpädagogen in den „regulären“ Einrichtungen.
Bei der Arbeit an sich kommt es meiner Meinung darauf an, dass die Kinder keinem enormen Leistungsdruck unterworfen werden, denn bereits in jungen Jahren wird das Selbstbild geprägt. Kinder sollten da gefördert werden wo sie persönlich noch bedarf haben, aber nicht so, dass sie ihre Defizite internalisieren. Kinder müssen immer das Gefühl haben akzeptiert zu werden, so wie sie sind, egal ob sie in etwas schlechter sind als andere Kinder. Weiterhin sollten kooperative Fähigkeiten genau so gefördert werden, wie die individuellen motorischen und kognitiven Fähigkeiten, denn auch diese Softskills können Menschen nicht früh genug erlernen. Außerdem sollten Kinder dazu animiert werden ihre Kreativität zu fördern. Kreativität ist der Schlüssel für unsere Zukunft und eine der wichtigsten Ressourcen der Menschen. Aus ihr schöpfen wir neue Denkmuster und Problemlösungen für die Aufgaben von Morgen. Doch auch, was in vielen Kindergärten schon eindrucksvoll umgesetzt wird, die Alltagsbildung, ist hierbei besonders wichtig. „Was ist ein Bauernhof?“, „Was macht die Polizei?“, „Wie verhalte ich mich im Straßenverkehr?“ usw. All das sind Fragen, welche Kinder beschäftigen. Dies zu erkunden schärft ihr Verständnis dafür sich in der Welt, welche sie umgibt, sich zurecht zu finden. Ich wünsche mir, dass die kulturelle und die politische Bildung auch hier schon vorkommt. Gerade Bayern, hat was die politische Bildung angeht ein großes Defizit. Dies hat die Universität Bielefeld anlässlich einer Untersuchung darüber, wie es um die politische Bildung in den Bundesländern steht, herausgefunden. Bayern belegt hierbei den letzten Platz. Zwar war dies auf Schulen bezogen, aber auch im Kindergarten können hier bereits Weichen gestellt werden. Mittlerweile gibt es massenhaft Konzepte der kindgerechten Vermittlung dieser Inhalte, ob nun Führungen durch Museen mit Museumspädagog*innen, Kindertheater, Musikinstrumente basteln, Kinderwahlen, Demokratieerziehung, usw.. Auch die Prävention darf meiner Meinung nach im Kindergarten nicht vernachlässigt werden. Gemeinsames Kochen, gesunde Ernährung und viel bewegte Spielangebote können spätere Erkrankungen vorbeugen und den Spaß am Verarbeiten von frischen Lebensmitteln und Sport wecken.
Der Kindergarten ist für mich ein Ort der gelebten Demokratie. Leider können wir das, bedingt durch unser segregierendes, dreigliedriges Schulsystem nicht behaupten. Denn im Gegensatz zu den Schulen begegnen sich hier Kinder aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Milieus. Und siehe da, es funktioniert prächtig, denn das was uns trennt sind konstruierte Strukturen der Exklusion. Im Kindergarten können die Weichen für gegenseitiges Verständnis, Rücksichtnahme und Kooperation noch am besten gelegt werden. Dies ist mein persönlicher Anspruch.

MfG,
Florian Bätz
P.S.: Ich hoffe ich konnte Ihnen einen Eindruck meines Standpunktes vermitteln. Bezogen auf ihre Frage, habe ich mich jedoch weniger auf Bildung allgemein, sondern auch Kindergärten im Besonderen beschränkt. Falls Sie noch Verständnisfragen haben oder noch welche zur schulischen bzw. zur Berufs-/Hochschulbildung, dann scheuen Sie sich bitte nicht mich erneut zu kontaktieren.