Frage an Figen Sanlik von Jens T. bezüglich Wirtschaft
Hallo Frau Sanlik,
in Ihrer Antwort schreiben Sie, dass es nur geht, "wenn wir in Deutschland wieder 9 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen und dadurch die Einnahmen der Sozialsysteme wieder finanzierbar machen". Mit Verlaub - dieser satz ist in beliebiger Form auch von einer Frau Merkel oder anderen zu höhren und er ist so erst einmal vollkommen falsch. Es geht in Deutschland nicht um die Schaffung neuer Arbeitsplätze, Primat muss die Umverteilung von Arbeit haben. Der Anteil der deutschen Bevölkerung an der Weltbevölkerung beträgt ca. 1,3%. Wenn wir nicht davon ausgehen, dass es gerecht ist, auf Kosten anderer zu leben, wird auch der Anteil der deutschen Wirtschaft an der Weltleistungsbilanz irgendwann gegen den Wert korrelieren. Heute stehen wir bei ca. 7%! Einher damit gehen wird ein weiterer verlust exisiterender Arbeitsplätze, noch verstärkt duch weitere Automatisierung der Produktion. Woher kommen jetzt die Arbeitsplätze?
Sicher gibt es nach wie vor viel zu tun in unserem land - z.B. in der Betreuung der Jugendlichen und Kinder, in Ausbildung etc.. Die Arbeit kann aber keiner bezahlen, weil sie in einem auf Profit basierendem Wirtschaftssystem eben nicht profitabel ist. Hier gilt es anzusetzen und umzusteuern. Zu machen ist das u.a. durch Ansätze wie das Bürgergeld, das derzeit in den Niederlanden diskutiert und getestet wird.
Aber höhren sie mit der Schaffung von 9 Mio. Arbeitsplätzen auf, es reicht, wenn sich konservative Parteien damit lächerlich machen. In letzter Instanz wird auch nicht mehr gearbeitet werden müssen, sondern weniger. Das ist alles logisch und vorhersehbar.
Sehr geehrter Herr Tolkmitt,
Zugegebenermaßen ist der Aspekt Schaffung von Arbeitsplätzen in der von Ihnen angesprochenen Antwort etwas knapp ausgefallen. Allerdings bin ich schon der Meinung, daß es in Deutschland sehr wohl um die Schaffung von Arbeitsplätzen, und zwar von produktiven Arbeitsplätzen in der Realwirtschaft, nicht im unproduktiven Dienstleitungssektor geht. 9 Millionen brauchen wir, weil das die tatsächliche heutige Arbeitslosigkeit ist.
Davon spricht allerdings keine Partei, weil sie dieses Ziel seit langem aufgegeben haben und tatsächlich mit der seit Jahrzehnten praktizierten Politik sogar an der Misere schuld sind, in der wir jetzt stecken. Wir haben uns seit Anfang der siebziger Jahre soweit in eine sog. "nachindustrielle Gesellschaft" umgewandelt, daß das darin herrschende neoliberale Dogma scheinbar das gesamte wirtschafts- und finanzpolitische Denken beherrscht. Nein, es geht nicht um Umverteilung, das wäre - wie Sie selber schreiben - der sichere Weg zu noch viel höherer Arbeitslosigkeit.
Was wir brauchen, ist eine Rückkehr zu realwirtschaftlichem Denken, das heißt konkret z.B. zu dem Modell des "New Deal", mit dem US-Präsident Franklin Roosevelt die Depression der 30er Jahre überwunden hat. Er hat damals den Staat wieder auf das Gemeinwohl verpflichtet und mit dem Werkzeug der (heute auch wieder vergessenen) produktiven Kreditschöpfung massiv in produktive Bereiche wie die Infrastruktur (Wasserwirtschaft, Energie, Verkehr usw.) investiert, was in kurzer Zeit eine Sogwirkung auf die Gesamtwirtschaft ausgeübt hat. Der Wiederaufbau nach dem Krieg folgte ähnlichen Grundsätzen. Das können wir heute im Prinzip auch wieder tun. Parallel dazu muß natürlich das durch Spekulation in den Bankrott getriebene Weltfinanzsystem reorgisiert, d.h. einem Konkursverfahren unterzogen werden, so daß langfristige produktive Investitionen überhaupt wieder möglich werden.
Da es unmöglich ist, in dem verfügbaren Rahmen hier unsere Vorstellungen hierzu umfassend darzustellen, möchte ich Sie auf unsere homepage www.bueso.de verweisen, wo Sie unser ausführliches Prgramm finden.
Mit freundlichen Grüßen
Figen Sanlik