Frage an Farid Müller von Jochen G. bezüglich Soziale Sicherung
Guten Tag Herr Müller,
mich würde interressieren, wie Sie und insbesondere die Grünen, die aktuellen Sparpläne des Senats mit den Grundsätzen Ihrer Partei vereinbaren können. Wieder einmal zeigt sich, das ganz besonders die Kinder unter dem Unvermögen einiger zu Leiden haben. Warum kann das notwendige Sparpotenzial nicht aus einigen Prestigeobjekten abgezweigt werden? Wie wollen Sie weiterhin glaubhaft machen, das Sie sich (und Ihre Partei) für die weniger betuchten Bürger dieser Stadt stark machen?
Vielen Dank für eine ehrliche Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
ein treuer Grünenwähler, der nicht mehr wirklich hinter seiner Wahl steht...!
Sehr geehrter Herr Glismann,
Danke für Ihr offenes Wort. Es zeigt sich wieder einmal, dass Abgeordnetenwatch eine wichtige Funktion erfüllt, weil Irritationen direkt an den richtigen Adressaten gelangen.
Zu Ihren Fragen:
Leiden die Kinder besonders?
Für das bereits jetzt bundesweit vorbildliche (und weiter wachsende) Hamburger Kindertagesbetreuungsangebot werden in den Jahren 2010 bis 2012 insgesamt rund EUR 145 Mio Mehrkosten erwartet (2009: rd. EUR 453 Mio). Um Eingriffe in Qualität und Personalschlüssel und damit die Absenkung von Standards zu vermeiden, ist ein Bündel sozial ausgewogener Maßnahmen beschlossen worden:
I. Leider können nicht alle im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise in den ursprünglich geplanten Zeiträumen realisiert werden. Die ursprünglich für August 2010 geplante vorgezogene Einführung eines allgemeinen Rechtsanspruches auf Kindertagesbetreuung bereits ab 2 Jahren wird daher bis 2013 zurück gestellt (Vermeidung neuer Kosten: rd. EUR 30 Mio).
FAZIT: Keine Einschränkung von aktuellen Leistungen, nur eine Verschiebung eines noch besseren Standards auf 2013
II. Statt Standards abzusenken, soll mit neuen Beitragsstufen für Eltern mit erhöhtem Einkommen (über EUR 3.000;- netto) sowie einer sozial gestaffelten Erhöhung des Essensgeldes (Krippe und Elementar von EUR 0,60 auf EUR 1,-/Tag sowie Hort auf EUR 2,-/Tag, Ermäßigung für Familien im Hartz-IV-Bezug auf EUR 0,80 bzw. EUR 1,-/Tag im Hort) sowie die Gleichstellung der Beitragsbemessungsregeln für Eltern behinderter Kinder ein Teil der zusätzlich erforderlichen Mittel für Kitas bereit gestellt werden (rd. EUR 40 Mio). Diese Anpassung der Elternbeiträge ist sozial ausgewogen und angesichts der Tatsache, dass die Elternbeiträge seit 2005 nicht an die Kostenentwicklung angepasst wurden, vertretbar.
FAZIT: Auch hier findet kein Kahlschlag bei denen statt, die sowieso nichts haben, sondern bei denen, die eine Erhöhung eher verkraften können.
Zweite Frage:
Warum kann das notwendige Sparpotenzial nicht aus einigen Prestigeobjekten abgezweigt werden?
Erstens gilt die Trennung zwischen Investiven Mitteln, das sind vor allem Baumaßnahmen und Käufe und Betriebsmitteln, das sind die laufenden Ausgaben und der Schuldendienst. Die Sparleistung bezieht sich ja auf den Schuldendienst und muss deshalb im Betriebshaushalt erwirtschaftet werden. Es ist nicht zulässig, diese Mittel im Investitionshaushalt zu sparen.
Dennoch möchte ich noch etwas zum Begriff "Prestigeobjekte" sagen. In jedem Gemeinwesen wird in die Zukunft investiert. In Hamburg waren das jahrzehntelang vorwiegend Kaimauern und Hafenkräne. Milliarden wurden in die Infrastruktur gegeben.
Schwarz-Grün ändert das. Wir geben verstärkt Mittel in Schule und Bildung, in (Stadtteil-)Kultur, in die Förderung der Kreativwirtschaft, in erneuerbare Energien und einen modernen öffentlichen Nahverkehr.
Ob diese Ziele geteilt werden, steht jedem frei zu beurteilen. Ich bin aber sehr zurückhaltend mit dem Gebrauch des Begriffes "Prestigeprojekt".
Dritte Frage:
Wie wollen Sie weiter glaubhaft machen, dass Sie sich für die weniger Betuchten stark machen?
Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen: Die Eintrittspreise bei den staatlichen Bühnen. Die Hamburgische Staatsoper, das Deutsche Schauspielhaus und das Thalia Theater werden höhere Eintrittspreise nehmen. Für die drei Häuser bringt dies zusätzliche Einnahmen von jährlich EUR 1,4 Mio, die den Haushalt der Stadt entsprechend entlasten. Auch bei den beiden städtischen Orchestern, dem Philharmonischen Staatsorchester und den Hamburger Symphonikern, werden die Eintrittspreise angehoben.
Dabei wird aber darauf geachtet, dass die Kartenpreise der sowieso schon teuren Plätzen überproportional erhöht werden, während für die bisher günstigen Plätze weiter die Sozialklausel gilt. Sie sehen: Wir belasten die, die es sich leisten können und schonen die, die es sich nicht leisten können. Die Sozialverträglichkeit bildet den roten Faden des Sparens.
So bleibt z. B. das unter Schwarz-Grün wieder eingeführte Sozialticket erhalten. Wir treiben weiter die soziale Stadtteilentwicklung voran. Wir stärken im Gegensatz zu früher den sozialen Wohnungsbau.
Und nebenbei: Moderne Projekte werden weiter vorangetrieben: Hamburg bekommt ein modernes Schulsystem. Hamburg bekommt die Stadtbahn. Hamburg hat bereits jetzt Hamburg Energie, verbindliche Volksentscheide, mehr Bürgerrechte, die Clubförderung und vieles andere mehr.
Ich hoffe, Ihre Fragen beantwortet zu haben. Weitere Informationen erhalten Sie auch über http://www.farid-mueller.de
Viele Grüße
Ihr
Farid Müller