Frage an Fabio De Masi von Frederik Z. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr De Masi,
durch die Corona-Pandemie und das Infektionsschutzgesetz sind die Grundrechte der Bürger*innen derzeit stark eingeschränkt. Folglich erlaubt die Pandemiesituation der Exekutive, bestimmte Teile der Verfassung aufs Eis zu legen. Angesichts dieser Befugnisse frage ich mich, warum dann nicht auch Eingriffe in andere (viel weniger grundlegende!) Rechte erfolgen können, zum Beispiel die meines Erachtens nach banalen Rechte der Impfstoffhersteller, aus ihren Impfstoffen immensen Profit zu schlagen. Zumal so ein Eingriff aus Sicht des Infektionsschutzes immensen Sinn haben würde: Die Exekutive sollte die Impfmittelhersteller per Gesetz dazu verpflichten, die Herstellungsprotokolle ihrer Impfstoffe öffentlich frei zugänglich zu machen und jedwede mit den Impfstoffen verbundenen Rechte auf geistiges Eingentum zu revidieren. Dieser Eingriff in das "Recht auf Profit" sollte ein Leichtes sein angesichts der viel gravierenderen Eingriffe in die Grundrechte, oder?
Ich freue mich auf Ihre Einschätzung dieser Idee!
Mit freundlichen Grüßen und dankbar für Ihre vorzügliche finanzpolitische Arbeit:
Frederik Zietzschmann
Sehr geehrter Herr Zietzschmann,
vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Die Regierung hat versagt die Impfstoff-Produktion anzukurbeln. Ich weise auf diese Problematik seit Monaten hin.
Denn es ist nicht im Interesse der Pharmaindustrie, die technologisch möglichen Produktionskapazitäten kurzfristig auszuschöpfen. Denn der Aufbau zusätzlicher Produktionsstätten ist nicht gewinnmaximierend. Anlagen würden anschließend ungenutzt herumstehen. Wenn preisgünstigere Impfstoffe wie AstraZeneca auf den Markt kommen, würde dies die Investitionen entwerten.
Daher ist ein Mix aus Prämien, öffentlichen Beihilfen für weitere Fertigungslinien und Eingriffen in die Patente nötig, um Lizenzproduktion anzuregen. Darauf habe ich unter anderem auch in meiner jüngsten Bundestagsrede hingewiesen
https://m.youtube.com/watch?v=vZz6I-93gHM
Insbesondere Zulieferbetriebe brauchen gezielte Anreize wie staatliche Abnahmegarantien. Dies ist allemal billiger als die wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Kosten eines andauernden Lockdowns.
Ein solcher Eingriff in Patente ist gemäß Handelsrecht und Infektionsschutzgesetz in einer Pandemie gerechtfertigt. Die Impfstoffproduktion wurde mit erheblichen öffentlichen Geldern gefördert.
Südafrika und Indien haben unterstützt vom UN Aids Programm, zahlreichen Ökonomen und Ärzte ohne Grenzen einen solchen Antrag vor der Welthandelsorganisation (WTO) gestellt, der von fast 100 Regierungen unterstützt wurde. Auch der deutsche Ökonom Prof. Schularick hat dafür eindrücklich geworben und die Tatenlosigkeit der Bundesregierung kritisiert.
https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-02/corona-impfstoff-produktion-impfgipfel-politik
Mit freundlichen Grüßen
Fabio De Masi