Frage an Fabio De Masi von Wilhelm A. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr De Masi,
In diesem Bericht sehen Sie, dass 2016 9000 nach Deutschland gekommene Flüchtlingskinder angeblich spurlos verschwinden:
Weiß man inzwischen, wo die Kinder sind und wissen Sie wie viele von ihnen noch verschwunden sind? Gibt es auch jugendliche und erwachsene verschwundene Flüchtlinge und wie viele sind das? Stellen diese Menschen eine Gefahr dar?
In 2015 kamen laut Migrationsbericht der Bundesregierung 2, 14 Mio. Zuwanderer, siehe diesen Bericht:
Wie viele Menschen will Deutschland noch aufnehmen, auch mit Blick auf die Automatisierung? Was nützt ein etwaiges Zuwanderungsgesetz, ohne, dass die EU-Freizügigkeit und das Asylrecht angetastet wird? Länder wie Kanada haben m.W. keine Regelung wie die EU-Freizügigkeit und können doch so nicht als Beispiel dienen, oder?
Bereits mehrfach haben mir Zuwanderer Wohnungen vor der Nase weggeschnappt, zuletzt kam ein Flüchtling aus Somalia in Begleitung einer Diakonie-Mitarbeiterin und bekam nach dem Besichtigungstermin sofort die Wohnung. Finden Sie das in Ordnung und warum wird- trotz voller Kassen- kein Grundrecht auf Wohnen in der Verfassung verankert und mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert?
Mit freundlichen Grüßen
Wilhelm Alsdorf
Sehr geehrter Herr Alsdorf,
vielen Dank für Ihre Fragen!
Die in der Überschrift des Welt-Artikel genannte Zahl von knapp 9000 verschwundenen Flüchtlingskindern wird im Artikel aufgebrochen. So handelt es sich in 867 Fällen um Kinder unter 13 Jahren, während der Großteil der Vermissten (8046) Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahre sind. Dazu kommen noch 78 Personen über 18 Jahre. Im Artikel werden auch die häufigsten Grunde für das Verschwinden der Kinder und Jugendlichen genannt, nämlich dass sie sich selbstständig auf die Suche nach Verwandten machen.
Da es oft nicht zu einem Abgleich von Daten oder sogar zu Mehrfachmeldungen kommt, können die Behörden vielfach nicht nachvollziehen, wo die Vermissten angekommen sind. Ob von den vermissten Menschen einen Gefahr ausgeht, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern muss im Einzelfall ermittelt werden. Die verschwundenen Kinder und Jugendlichen werden aber zum Teil Opfer krimineller Ausbeutung im Drogen- und Prostitutionsmilieu, wie medial berichtet wurde. https://www.tagesschau.de/inland/minderjaehrige-fluechtlinge-121.html
Selbstverständlich ist dies keinesfalls akzeptabel. Ein Staat muss auch aus Fürsorgepflicht wissen, wer sich im Land aufhält und wo sich schutzwürdige Personen befinden. DIE LINKE hat sich schon immer für die besondere Beachtung von Kinderrechten eingesetzt und wird dies auch weiter tun, um die staatliche Aufsichtspflicht auch gegenüber minderjährigen Flüchtlingen zu gewährleisten. Besonders wichtig ist uns, die altersgerechte Betreuung und Unterbringung von Kindern, die mit Familienmitgliedern oder unbegleitet einreisen.
Den im Migrationsbericht der Bundesregierung für 2015 genannten 2,14 Mio. Zugezogenen stehen auch knapp 1 Mio. Fortzüge gegenüber, so dass netto 2015 etwas 1,14 Mio Menschen nach Deutschland gekommen sind. Im Saldo kommen die meisten Menschen dabei aus den Kriegs- und Krisenländern Syrien, Afghanistan und Irak, bzw. aus den wirtschaftliche schwächeren EU-Staaten Rumänien und Bulgarien sowie aus dem weiter unter der Eurokrise leidenden Italien.
DIE LINKE. hat sich als einzige Partei immer konsequent gegen die Fluchtursachen wie Regime Change-Kriege, Rüstungsexporte und unfaire Handelsabkommen im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik engagiert und frühzeitig auf die humanitäre Katastrophe in den UN-Flüchtlingslagern - etwa in den syrischen Anrainerstaaten hingewiesen. Wir haben ebenso auf eine Korrektur der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik gedrängt. Denn Freizügigkeit aus Not ist keine Freizügigkeit, sondern führt zur Ausbeutung
Erforderlich ist eine gute und sozial gerechte Ausgestaltung der Einwanderung. Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur, die Ausweitung öffentlicher Beschäftigung und eine Stabilisierung der Herkunftsländer. Dazu gehört auch eine angemessene öffentliche Wohnungsbaupolitik, die sicherstellt, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum für alle Menschen vorhanden ist. Es fehlen bereits jetzt fünf Millionen Sozialwohnungen, 50.000 fallen jedes Jahr aus der Sozialbindung. Wir wollen daher eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen, d.h. einen Sektor auf dem Wohnungsmarkt schaffen, der nicht profitorientiert ist, guten Wohnraum für alle schafft und Wohnen als Grundrecht behandelt.
Wir wollen auch einen Neustart im sozialen Wohnungsbau. Sozialwohnungen müssen gebaut und angekauft werden, mindestens 250.000 im Jahr – vor allem durch gemeinnützigen kommunalen Wohnungsbau. Dieses Vorhaben wollen wir mit fünf Milliarden Euro durch den Bund (und 5 Milliarden durch die Länder) unterstützen. Darüber hinaus brauchen wir eine echte Mietpreisbremse ohne Schlupflöcher.
Beste Grüße,
Fabio De Masi