Frage an Fabienne Sandkühler von Joana E. bezüglich Soziale Sicherung
Die Humanisten lehnen laut Wahl-O-Mat die Unterstützung von privaten Seenotrettungen ab, da sie einen Pullfaktor für die Asylsuchenden darstellen würden. Stattdessen sollen Auffanglager vor Ort errichtet werden, in denen eine Antragstellung auf Asyl stattfinden kann.
Nun gibt es Studien die belegen: Einen signifikanten Zusammenhang zwischen der privaten Seenotrettung und der Anzahl der ankommenden Flüchtlinge gäbe es nicht.
"Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse stark darauf hin, dass Rettungsoperationen das Sterblichkeitsrisiko verringern (oder umgekehrt, dass das Fehlen von Rettungsoperationen zu mehr Toten führt) und kaum oder keinen Einfluss auf die Zahl der Ankünfte hat."
Elias Steinhilper und Rob Gruijters (https://www.law.ox.ac.uk/research-subject-groups/centre-criminology/centreborder-criminologies/blog/2017/03/border-deaths)
Auf welcher Grundlage kommt ihr zu anderen Ergebnissen?
Und wie kann ich mir sich sichere Auffanglager vor Ort vorstellen, wenn die Asylsuchenden bspw. von Melizen verfolgt werden? Wer soll diese betreuen? Wie wird die Unversehrtheit der Menschen sichergestellt und haltet ihr für realistisch, dass die Menschen deshalb nicht mehr übers Mittelmeer nach Europa flüchten?
Wir können unsere Antwort leider nicht mehr ändern, würden den Pullfaktor aber nicht nochmal in die Antwort reinnehmen, weil es unklar ist, ob er eine nennenswerte Rolle spielt und ob sich private und staatliche Rettungen in dem Punkt überhaupt unterscheiden. Die Studie von Steinhilper und Gruijters (auch im mittlerweile veröffentlichten Paper) scheint mir allerdings nur schwache Evidenz zu liefern, da Schutzsuchende ihre Reise meistens bereits viele Monate vor der Überquerung des Mittelmeers antreten und es fraglich ist, ob sie ihre Pläne so schnell anpassen können. Im Wahl-O-Mat sagen wir zu der Frage auch, dass wir Seenotrettung als staatliche Aufgabe sehen. Anstatt diese Aufgabe an NGOs auszulagern, sollte die EU es unserer Meinung nach selbst tun. Diesen Punkt finden wir immer noch wichtig. Die EU kann besser ausgestattete Schiffe und besser geschultes Personal einsetzen als NGOs. Die Kapazität, staatliche Seenotrettungseinsätze im Mittelmeer sehr schnell vermehrt bereitzustellen ist jetzt schon da, wie man an größeren Einsätzen in der Vergangenheit sehen kann.
In unserem Visionspapier Europa erklären wir unsere Ideen zu Schutzzonen für Geflüchtete. Ich habe unten einen Auszug daraus kopiert, mehr dazu hier: https://diehumanisten.de/vision/themen/europa/ . Die kurze Antwort ist: Mit vor Ort ist nicht gemeint, genau da wo geflohen wird, sondern in erreichbarer Nähe.
"Wir plädieren außerdem für die Einrichtung von militärisch gesicherten Schutzzonen in erreichbarer Nähe zu aktuellen Krisenherden durch die Vereinten Nationen. Um ein größtmögliches Maß an militärischer Sicherheit zu gewährleisten, sollten dazu keine mobilen, sondern möglichst langfristig betriebene und optimal gesicherte Zufluchtsorte eingerichtet und durch einen internationalen Militäreinsatz mit UN-Mandat geschützt werden. Diese Schutzzonen müssen von der internationalen Gemeinschaft vollständig finanziert und gut ausgestattet werden. Die Positionen dieser Einrichtungen sind derart zu wählen, dass die Schutzsuchenden weit genug von den Konfliktgebieten entfernt sind, um vor Kampfhandlungen geschützt zu sein, aber nah genug an den jeweiligen Konfliktherden sind, um die für die Schutzsuchenden zu überbrückende Distanz nicht zu groß werden zu lassen.
Diese Schutzzonen hätten nach dem Humanitären Völkerrecht einen besonderen Schutzstatus. Ein Angriff auf diese wäre somit nach dem Völkerstrafrecht eine besonders schwere Straftat und von dem Internationalen Gerichtshof zu verfolgen. Bei der Besatzung der Sicherheitszonen mit militärischem Personal muss je nach Gefährdungslage eine mindestens ausreichende Mannstärke gegeben sein, die durch ihre Bewaffnung und Ausbildung in der Lage ist, die Schutzzone effektiv zu verteidigen. Situationen wie die Überwältigung der niederländischen Soldaten des Lagers in Srebrenica in Bosnien-Herzegowina am 11. Juli 1995 und dem daran anschließenden Völkermord, dürfen sich nicht wiederholen.
Erst durch die gravierende Unterfinanzierung der Programme von Flüchtlingshilfswerken und die erheblichen Missstände in Lagern vor Ort kam es zu den großen Fluchtbewegungen nach Europa. Die Schutzzonen müssen deshalb auch langfristige Perspektiven für die dort aufgenommenen Menschen bieten. Über die bloße Existenzsicherung durch Unterkunft und Versorgung sind deshalb gerade auch Bildungs-, Arbeits- und Vermittlungsprogramme in Kooperation mit den umliegenden Ländern notwendig. Ziel ist es, den Schutzsuchenden lokale Zukunftschancen zu ermöglichen."
EDIT: Wir konnten unsere Antwort doch noch ändern! Der Pull-Faktor ist raus und Einiges wurde angepasst. Jetzt sollte die Antwort richtiger und unsere Position außerdem klarer vermittelt sein.