Frage an Fabienne Sandkühler von Sabine D. bezüglich Umwelt
Hallo Frau Sandkühler,
wie sieht ihrer Meinung nach der unter Berücksichtigung der aktuell technologisch verfügbaren Energiegewinnungsformen der beste Stromerzeugungsmix für Europa aus?
Stand 2016 war der konsumierte Energiemix in Europa in etwa folgender: 73% fossile Energie, 13% Kernkraft, 13% Erneuerbare. Unter Berücksichtigung der aktuell technologisch verfügbaren Energiegewinnungsformen, ist meine sehr grobe Schätzung für den bestmöglichen Stromerzeugungsmix für Europa in den nächsten 15 Jahren: 0% fossile Energie, 60% Kernkraft, 40% Erneuerbare. Abhängig von der technologischen Entwicklung könnte fossile Energie mit Carbon Capture and Storage (CCS) Teil der Lösung sein. Wieder abhängig von der technologischen Entwicklung, vor allem von Speichertechnologien, könnte der Anteil an erneuerbaren Energien größer sein.
Der Grund, warum ich nicht 100% erneuerbare Energien angebe, ist, dass ich noch keinen überzeugenden Plan gesehen habe, wie das mit den heutigen Technologien möglich sein soll. Ich bin vorsichtig optimistisch, was die Weiterentwicklung dieser Technologien angeht, aber bei dieser Antwort soll ich ja von den aktuell technologisch verfügbaren Energiegewinnungsformen ausgehen. Die mir bekannten Pläne zu 100% erneuerbare Energien sind hauptsächlich das Paper von Jacobson, Delucchi, Cameron und Frew (2015) und Ram et al. (2018). Beide sind zwar sehr zuversichtlich, dass 100% Erneuerbare jetzt oder in wenigen Jahren möglich sind, zeigen aber leider nicht, wie das Speicherproblem mit heutiger Technologie gelöst werden kann.
Die Gründe, warum ich Kernkraft statt fossiler Energien angebe, sind: 1) Der Klimawandel muss unbedingt jetzt eingedämmt werden. 2) Das ist wichtiger als der Nachteil, der durch radioaktiven Müll entsteht. Der Nachteil besteht hauptsächlich darin, dass Menschen sich 9000 Jahre um den Müll kümmern müssen (evtl. 300 Jahre, aber bleiben wir in dieser Antwort bei heute marktreifen Technologien) 3) die sehr hohe Anzahl an Todesfällen durch Luftverschmutzung vor allem bei Kohle 4) die niedrige Wahrscheinlichkeit von Reaktorunfällen 5) Ablehnung des sogenannten linear-no-threshold (LNT) Modells, weil die Studienlage dagegen spricht. Das LNT Modell besagt, dass jede Erhöhung der radioaktiven Strahlung gesundheitlich schädlich ist, wodurch Reaktorunfälle zu vielen Todesfällen führen. Die Studienlage deutet allerdings darauf hin, dass radioaktive Strahlung erst gesundheitlich schädlich ist, wenn sie eine bestimmte Schwelle überschreitet. Eine erhöhte radioaktive Strahlung findet sich übrigens auch z.B. in vielen Regionen der Welt, in einigen Kellern und in Bananen. Daraus leitet sich ab, dass Reaktorunfälle pro produzierte Energieeinheit wenige Menschen getötet oder geschädigt haben - um Größenordnungen weniger als Kohle und in der gleichen Größenordnung wie erneuerbare Energien (Stürze von Dächern bei der Montage von Solaranlagen, Dammbrüche). Erläuterungen und eine große Anzahl an wissenschaftlichen Quellen finden interessierte Mitlesende in unserem Positionspapier zur Kernkraft.