Frage an Evelyne Gebhardt von Simon M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Gebhardt,
die Ergebnisse der PISA-Studie sind allen bekannt und haben sich in unsere Köpfe eingebrannt. Jeder weiß, dass etwas getan werden muss. Aber was?
Wir, eine Gruppe Sozialpädagogikstudenten untersuchen im Rahmen unseres Politik-Moduls, welche familien- und bildungspolitischen Maßnahmen aufgrund der PISA-Ergebnisse von den verschiedenen Fraktionen angestrebt werden, auch im Hinblick auf einen KiTa-Ausbau bzw. Umstrukturierung.
Demzufolge möchten wir Sie herzlich bitten, uns eine Stellungnahme stellvertretend für Ihre Partei bzw. ihr Ressort zu geben, in der Sie ihre Position zur "Bildungsmisere" darlegen und welche Maßnahmen Ihrerseits dagegen in Angriff genommen werden sollten.
Vielen Dank im Voraus,
Simon Maaß
Sehr geehrter Herr Maaß,
die Probleme im deutschen Bildungssystem sind vielfältig. Der Blick auf die Ergebnisse der PISA-Studien ist notwendig, aber für sich alleine nicht ausreichend. Zum Einen gibt es zahlreiche weitere Studien, deren Ergebnisse den Handlungsbedarf immer wieder unterstreichen. Zum Anderen sprechen einige Zahlen für sich schon eine deutliche Sprache: mehr als 60.000 Schüler und Schülerinnen verlassen die Schule jedes Jahr ohne Abschluss. Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien finden 71 den Weg an die Hochschule. Von 100 Kindern, der beide Eltern keinen Hochschulabschluss haben, nehmen nur 24 ein Studium auf. Allein diese beiden Zahlen belegen, wie ungerecht das deutsche Bildungssystem heute ist und wie sehr Bildungs- und damit Lebenschancen immer noch vom Geldbeutel und sozialen Status der Eltern abhängen.
Die SPD möchte ein gutes und sozial gerechtes Bildungssystem. Wir kämpfen für Chancengleichheit von Anfang an. Deshalb haben wir durchgesetzt, dass ab 2013 der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr gültig sein wird. Bund und Länder haben sich gemeinsam verpflichtet, die notwendigen Betreuungsplätze aufzubauen. Daran erinnern wir die bisher untätige Bundesregierung immer wieder. Dieses gemeinsam vereinbarte Ziel darf nicht auf die schwarz-gelbe Streichliste gesetzt werden! Wir wollen außerdem, dass der Besuch einer Kindertagesstätte für alle Kinder schrittweise bis 2013 beitragsfrei gestellt wird. Damit bauen wir soziale Hürden für den Zugang zu früher Bildung ab, die prägend ist für die spätere Lernfähigkeit der Kinder.
Wir setzen uns für längeres gemeinsames Lernen in der Schule ein. Kinder sollen nicht mehr im Alter von zehn Jahren in Schubladen gesteckt werden, aus denen die Kinder faktisch nur nach unten fallen, aber kaum nach oben aufsteigen können. Wir wollen mehr individuelle Förderung, die in Ganztagsschulen deutlich besser umgesetzt werden kann. Deshalb haben wir unter Bundeskanzler Gerhard Schröder durchgesetzt, dass der Bund 4 Milliarden Euro für den bundesweiten Ausbau von Ganztagsschulen zur Verfügung stellt. Und wir setzen uns auch weiterhin für den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulen ein. Der Bund kann sich daran beteiligen, indem er ein Programm zu begleitenden Schulsozialarbeit im Rahmen der Jugendhilfe auflegt.
Ein wichtiger Grundsatz für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem ist die Gebührenfreiheit von der Kindertagesstätte bis zur Hochschule. Es darf nicht sein, dass Kinder nicht in die Kindertagestätte gehen, weil ihre Eltern sich die Gebühren nicht leisten können. Es geht nicht, dass Schüler kein warmes Mittagessen bekommen, weil sie sich das nicht leisten können. Und wir werden auch nicht akzeptieren, dass junge Menschen vom Studium abgehalten werden, weil sie sich 500 Euro pro Semester nicht leisten können. Das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit - und es ist wirtschaftlich vollkommen unvernünftig.
Entscheidend wird sein, dass Bund und Länder sich an ihre Vereinbarung halten, bis 2015 mindestens zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben. Die CDU beginnt direkt nach der NRW-Wahl eine Diskussion darüber, ob wir uns die zusätzlichen Investitionen in Bildung noch leisten können. Die SPD steht ohne Wenn und Aber zu diesem Ziel. In einem der reichsten Länder der Welt muss es möglich sein, deutlich mehr Geld als bisher in Bildung zu investieren. Dabei können wir uns sicher sein: Jeder Euro, den wir heute investieren, wird sich doppelt und dreifach auszahlen.
Mit freundlichen Grüßen,
Evelyne Gebhardt