Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Olga S. •

Frage an Eva Högl von Olga S. bezüglich Gesundheit

Guten Tag, 
Entscheidung bezüglich der Impfpflicht ist beinahe vorprogrammiert, denn Impfungen werden als wundersame Gottesgabe gesehen. Ich, als zweifache Mutter durfte innerhalb von fünf Jahren drei Kinderärzte wechseln. Es gibt sie, die Hasswelle, die Impfskeptiker überfluten soll. Mit Inkrafttreten der Impfpflicht wird das Ziel erfolgreich erreicht! 

Die Information darüber, dass Geimpfte mit Impfstoffen wie u.a. MMR (Masern, Mumps und Röteln) Wilderreger verbreiten können und demzufolge Menschen anstecken, sollte breitflächig bekannt gegeben werden. Dazu einige Quellen: Maryn McKenna: Polio vaccination may continue after wild virus fades. University of Minnesota online, Oct. 16, 2008.; Joanne Faryon: Immunized People Getting Whooping Cough. KPBS.org, 12. Juni 2014; Vaccine Failure - Over 1000 Got Mumps in NY in Last Six Months. mercola.com, 6. März 2010. Man ist doch nicht zum Schweigen verurteilt, oder im Bezug zum Impfen schon?

Desweiteren kam eine stattliche KiGGs-Studie kam zu dem Ergebnis, dass 12,6 % aller zweimal geimpften Kinder und Jugendlichen keinen als schützend angesehenen Antikörpertiter vorweisen können. (Poethko-Müller, C., Mankertz, A. „Sero-epidemiology of measles-specific IgG antibodies and predictive factors for low or missing titres in a German population-based cross-sectional study in children and adolescents (KiGGS)”, (2011) Vaccine, 29 (45), pp. 7949-7959.)

Wie wollen Sie in diesem Sinne eine Herdenimmunität erreichen und diese als sinnvoll betrachten? 
Ich fordere Gerechtigkeit und Erhalt meiner Rechte!
VG, Olga

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Skrypnyk,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur aktuellen Diskussion über eine Impfpflicht gegen Masern.

Eine Masernerkrankung ist keine harmlose Kinderkrankheit. Sie zählt zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten des Menschen. Von einer Masernerkrankung sind besonders häufig Kinder in den ersten beiden Lebensjahren betroffen. Sie tragen auch ein erhöhtes Risiko dafür, dass eine Maserninfektion zu schwerwiegenden Komplikationen führt und müssen besonders häufig wegen einer Masern-Erkrankung stationär behandelt werden. Durch eine vorübergehende Immunschwäche kommt es nach einer Masernerkrankung zu anderen Erkrankungen wie z.B. Durchfall, Mittelohrentzündung, Hörschäden, Lungenentzündung und Gehirnentzündung. Bei 10 von 10.000 Masern-Erkrankten entwickelt sich in Folge der Erkrankung eine Gehirnentzündung, etwa 2 bis 3 Betroffene behalten schwere Schäden wie geistige Behinderungen und Lähmungen zurück. Als Spätfolge kann die so genannte subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten, eine schwere und stets tödlich verlaufende Gehirnerkrankung. Eine SSPE entwickelt sich bei 2 bis 6 von 10.000 Kindern, die zum Zeitpunkt der Maserninfektion jünger als 5 Jahre alt sind. Die Wahrscheinlichkeit, an Masern zu sterben, liegt bei 1 Todesfall pro 1.000 Masernerkrankte. Gegen die Masern-Erkrankung selbst gibt es keine Behandlung. Masern sind extrem ansteckend. Ohne Impfschutz infizieren sich etwa 95 von 100 Menschen, wenn sie Kontakt zu einem Erkrankten hatten. Bereits einige Tage vor Auftreten der Erkrankung ist die Infektion hoch ansteckend, weshalb beispielsweise der Ausschluss von Erkrankten vom Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung unter Umständen zu spät kommt und deshalb nicht ausreicht.

Sowohl für den individuellen Schutz jeder und jedes Einzelnen als auch für den Gemeinschaftsschutz zugunsten von Menschen, die aus Altersgründen oder auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht geimpft werden können, brauchen wir eine ausreichende Masern-Impfquote. Leider hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Impfquoten zurückgegangen sind. Nach wie vor gibt es daher zum Teil erhebliche Impflücken bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Immer wieder kommt es, in jährlich schwankenden Zahlen, zu schwerwiegenden Masernausbrüchen, bei denen auch Todesfälle zu beklagen sind.

In der Europa-Region der WHO sind die Masernfälle zuletzt stark angestiegen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 berichteten 49 der 53 Länder der Region zusammen über 174 000 Masernfälle und über 100 masernbedingte Todesfälle. Vier Länder in der Europaregion der WHO haben ihren Masern-Eliminierungsstatus verloren: Albanien, Griechenland, Tschechien und das Vereinigte Königreich. Weltweit haben sich die Masernfälle 2019 vervierfacht.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir mit unseren bisherigen Bemühungen zur Steigerung der Impfbereitschaft das Ziel, Masern in Deutschland zu eliminieren, nicht erreichen konnten. Auch die vermehrte Impfaufklärung oder der Ausbau der Vorsorgeuntersuchungen und der ärztlichen Impfberatung waren nicht zur endgültigen Bekämpfung der Masern ausreichend.

Daher haben wir im dem Koalitionsvertrag vereinbart, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Impfquoten zum Schutz der Bevölkerung zu erlangen. Dabei ist es uns sehr wichtig, alle zu erreichen und qualifiziert über die Masernimpfung zu informieren, die nicht zeitgerecht impfen, Impftermine versäumen oder einer Impfung skeptisch gegenüberstehen.

Zum Schutz der Bevölkerung wäre auch die Einführung einer gesetzlichen Masern-Impfpflicht für uns als wirksames Mittel in Erwägung zu ziehen.

In der Tat gibt es in Deutschland derzeit keinen zugelassenen Einfach-Impfstoff gegen Masern. Man wird sich im parlamentarischen Verfahren damit auseinandersetzen müssen, was das für die beabsichtigte Masern-Impfpflicht bedeutet. Impfstoffe werden wie alle anderen Arzneimittel in Deutschland durch den jeweiligen Hersteller und nicht etwa den Bundesgesundheitsminister in den Verkehr gebracht. Es kommt also darauf an, ob und wann ein Hersteller die Zulassung für einen Einfach-Impfstoff gegen Masern bei der zuständigen Arzneimittelbehörde beantragt und erhält.

Die verfügbaren Kombinationsimpfstoffe sind wirksam und gut verträglich. Von 10.000 Geimpften entwickeln etwa 500 bis 1.500 allgemeine Beschwerden wie leichtes bis mäßiges Fieber, Kopfschmerzen, Mattigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden. Bei etwa 500 Geimpften entwickelt sich an der Einstichstelle in den ersten drei Tagen nach der Impfung eine Rötung oder Schwellung. Etwa 10 Tage nach einer MMR-Impfung bekommen 200 bis 500 von 10.000 Geimpften für wenige Tage einen masernähnlichen Hautausschlag, der auch „Impfmasern“ genannt wird. Dieser kann mit mäßigem Fieber einhergehen. Impfmasern sind nicht ansteckend. Nach einer MMR-Impfung tritt extrem selten, in weniger als 1 von 10.000 Fällen, eine allergische Reaktion auf.

Niemand bestreitet, dass eine Masernimpfung eine unerwünschte Reaktion oder Nebenwirkung zur Folge haben kann. Das Risiko einer schwerwiegenden Komplikation im Zusammenhang mit einer Masernimpfung ist aber sehr gering, im Gegensatz zum Risiko, ungeimpft schwer an Masern zu erkranken.

Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes verhindert die zweifache MMR-Impfung bei 93-99% der Geimpften den Ausbruch einer Erkrankung und führt bei diesen erfolgreich Geimpften in der Regel zu lebenslanger Immunität. Eine Antikörpertiterbestimmung führe dagegen, so das Robert-Koch-Institut, nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis und sei deshalb als Entscheidungskriterium für Immunität schlechter geeignet als der Nachweis einer zweimaligen Masernimpfung.

Das Paul-Ehrlich-Institut prüft und bewertet zudem fortlaufend anhand aktueller wissenschaftlicher Daten den Nutzen und das Risiko von Impfstoffen und dokumentiert jährlich die Meldungen des Verdachts einer Impfkomplikation oder einer Nebenwirkung nach Impfung. Neben den bestehenden gesetzlichen Meldepflichten können seit 2012 auch betroffene Personen und deren Angehörige den Verdachtsfall einer unerwünschten Impfreaktion oder Nebenwirkung melden. Das Meldeverfahren ist in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert worden.

Der Deutsche Bundestag wird im Herbst die parlamentarischen Beratungen zum Entwurf eines Masernschutzgesetzes der Bundesregierung aufnehmen und eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss durchführen. Es wird sich intensiv mit der aktuellen Stellungnahme des Deutschen Ethikrates auseinandersetzt und die mit der Regelung verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen beraten. Wir werden dazu voraussichtlich im Oktober eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss durchführen und die auch von Ihnen angesprochenen Fragen zum Nutzen-Risiko-Verhältnis mit den Expertinnen und Experten, beispielsweise vom Robert-Koch-Institut oder dem Paul-Ehrlich-Institut, beraten.

Es ist unser Ziel, einen besseren individuellen Schutz insbesondere von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht geimpft werden können, sowie einen ausreichenden Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen zu erreichen. Die Masern können in Deutschland überwunden und Europa weiter eingedämmt werden. Dazu brauchen wir eine Impfquote von mindestens 95 Prozent der Bevölkerung. Eine Maserimpfpflicht kann helfen, Impflücken zu schließen. Manche mögen diesen Schritt als Bevormundung empfinden, aber es geht hier nicht nur um dem Schutz jedes Einzelnen, sondern um den Schutz der gesamten Bevölkerung. Ein ausreichender Impfschutz kann unnötiges Leid vermeiden.

Nochmals vielen Dank für das Vorbringen Ihrer Sorgen, ich hoffe, dass ich Ihnen meinen Standpunkt etwas erläutern konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Eva Högl